Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
ausdrucksstarken Gesicht konnte ich ablesen, dass Joan hierauf nichts zu entgegnen wusste. Die Sache war ihr so unwichtig erschienen, sie hatte sich überhaupt nicht gefragt, weshalb die Brüder plötzlich so sehr darum bemüht waren, ihre unehelichen Nichten in ihrer Nähe zu behalten.
Sie streckte mir ihre Hand entgegen. »Ihr seht so blass aus.«
Das tat sie ebenfalls, wie ich jetzt bemerkte, obwohl ihr Haar wieder glänzte und Bleichmittel und Öle die grauen Strähnen verbargen, die beim Tod ihres Mannes so augenfällig gewesen waren. Sie wirkte außerdem regelrecht aufgebläht, als wäre alles Gewicht, das sie in den letzten Jahren in Bordeaux zugelegt und später in England wieder verloren hatte, erneut zurückgekehrt. Offenbar verfiel sie ins Essen, wenn sie besorgt war. Nun tat es mir leid, mir ihr gestritten zu haben. Zumindest ein wenig.
»Lasst uns im Park spazieren gehen«, sagte sie. »Es ist sonnig und mild für Januar, ein Gottesgeschenk, das wir nicht in zugigen, düsteren und widerhallenden Gemächern vergeuden sollten.«
Während unseres Spaziergangs durch den verlassenen Park sprach Joan nicht über meine bevorstehende Heirat, sondern von den Sorgen, die sie sich über ihren so jung zum König gekrönten Sohn machte, und von ihren anhaltenden Schlafproblemen nach dem Tod von Prince Edward.
»Es ist nicht so, dass wir jede Nacht im selben Bett verbracht hätten. Aber irgendwie weiß mein schlafendes Ich, dass er tot ist, dass unserem Sohn Gefahr droht, und prompt wache ich mit rasendem Herzen auf.«
Ich war erleichtert, eine Weile von meinen eigenen Ängsten
und meiner Entrüstung abgelenkt zu werden. Joan hatte weit mehr verloren als einen Ehemann. Sie hatte eine glorreiche Zukunft als Königin verloren und die Zeit, die ihr Sohn gebraucht hätte, um zu einem angemessen vorbereiteten Thronerben heranzuwachsen.
Doch bald schon wechselte sie das Thema und kam auf mein Misstrauen dem Herzog gegenüber zu sprechen.
»John müht sich derzeit darum, einen heiklen Balanceakt zu vollbringen, Alice. Mein Gemahl hat ihm auferlegt, den Schutz des Königreichs für unseren Sohn sicherzustellen, solange Richard noch zu jung ist, um alleine zu regieren. John weiß, dass es unter den Gemeinen wie unter den Adligen einige gibt, die ihn verdächtigen, diese Macht für sich behalten zu wollen. Dem öffentlich entgegenzutreten, würde solches Gerede nur noch weiter anstacheln, und so hofft er, das Volk durch eine untadelige Unterstützung Richards davon zu überzeugen, dass er es nicht auf die Herrschaft des Königreichs abgesehen hat. Wie Ihr, so wird auch er dafür verurteilt, sein Bett mit jemandem zu teilen, mit dem er nicht verheiratet ist, und mit dieser Liebschaft Kinder zu haben. Durch seine Liaison mit Katherine versteht er Eure Lage besser als jeder andere in der Familie.«
Ich stöhnte ungehalten auf.
Joan schüttelte meinen Arm ein wenig. »Er will Euch retten, Alice! Indem Ihr Sir William heiratet, kann er den aufgebrachten Pöbel womöglich beruhigen und Euch in die sichere Obhut eines Edelmanns bringen. John wollte Euch durch eine solch noble Verbindung eigentlich ehren.«
»Ich wünschte, ich könnte all das glauben, was Ihr über ihn sagt.« Es würde leichter fallen, in diese Heirat einzuwilligen. Aber ich hatte meine Zweifel. Und ich liebte Robert, nicht William. Ich zog mir meinen fehpelzgefütterten Umhang bis unters Kinn hoch.
»Kommt, Euch fröstelt. Lasst uns in Eure Kammer zurückkehren und ein wenig heißen Würzwein trinken.« Während wir eilig den Gartenweg entlangliefen, meinte Joan: »Möget Ihr vom Glück überrascht werden, Alice, dafür bete ich. Ihr habt so viel für diese Familie getan. Ich möchte, dass Ihr glücklich seid.«
Nachdem sie gegangen war, verbrachte ich lange Zeit in der Kapelle und bat Gott um die nötige Weisheit und Gewandtheit, mich so zu geben, als würde ich mein Los hinnehmen. Außerdem betete ich dafür, dass Joan in Bezug auf den Herzog Recht behalten würde. Dennoch fiel es mir schwer, die Gedanken an Flucht zu verdrängen.
In derselben Kapelle in Westminster Palace, in der ich einst um demütige Fügung in mein Schicksal gebetet hatte, wurden William und ich in einer schlichten Zeremonie verheiratet. Erzbischof Sudbury, vor dem ich just erst zu Kreuze hatte kriechen müssen, erteilte selbst den Segen. Ich trug einen Surcot aus dunklem Goldbrokat und ein blau-grünes Untergewand. Gwen hatte den Brokat mit den Knöpfen besetzt, die Princess
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