Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
Stand der Dinge Bescheid zu wissen, und so hörte ich den Berichten von William und Geoffrey aufmerksam zu.
Offenbar wurde ich in den Eingaben zumeist bezichtigt, Geschenke angenommen zu haben, für welche ich im Gegenzug beim König, Lordkanzler oder Kämmerer gewisse Gunstbeweise erwirken sollte, und wenn diese dann ausblieben, beschuldigten mich die Leute, keine Anstrengungen ihretwegen unternommen zu haben. Über die Jahre hatte ich erlebt, wie gegen jeden in Edwards Hofstaat und Rat derartige Anklagen erhoben worden waren, und es wurde ihnen, wie ich wusste, nur selten stattgegeben. Selbst wenn man sich mit großem Eifer für jemanden einsetzte, ließen sich der König oder seine führenden Hofbeamten von Entscheidungen, die einmal gefallen waren, nicht mehr abbringen. Als ich mich offen darüber wunderte, dass früher kaum jemand solche Beschwerden gegen mich vorgebracht hatte und sich nun plötzlich so viele meldeten, erzählte William, auf diesen Einwand würden die Kläger allesamt entgegen: ›Ich habe mich nicht getraut, mein Recht einzuklagen, denn es war doch allgemein bekannt, dass man sich besser nicht mit der Mätresse des Königs anlegt.‹ So oder so ähnlich.
Ich kam mir wie eine gewaltige Törin vor. Fern all der oberflächlichen Pracht des Hoflebens und Edwards beschützender Liebe ärgerte ich mich nun über meine Einfältigkeit. Nach meiner Rückkehr in die Londoner Kaufmannskreise, in denen ich aufgewachsen war, konnte ich inzwischen deren zweckmäßige Einstellung zu Wohlergehen ohne Verschwendungssucht wieder nachempfinden, während mir meine eigene anmaßende Haltung bei Hofe immer unbegreiflicher wurde. Ich hatte doch gewusst, dass Dinge, die einem Mann gestattet waren, Frauen noch lange nicht ebenfalls zustanden, und Gleiches galt für das Verhältnis Adliger zu Gemeinem. Wäre ich etwas bescheidener in meinen Wünschen für meine Töchter gewesen, hätte ich mehr von
Edwards Geschenken abgelehnt, dann könnte ich heute womöglich offen und frei als Gemahlin Roberts leben. Schuldgefühle nagten an mir.
William spürte meine Selbstvorwürfe und stachelte sie an, wenn er in Angriffslaune war, indem er aus dem Gedächtnis den Wortlaut einiger Eingaben wiedergab. Als er mich jedoch eines Nachmittags in meiner Schlafkammer weinend antraf, lenkte er ein.
»Ich verspreche dir, nie wieder davon zu sprechen, Alice. Du bist rücksichtslos ausgenutzt worden, und ich möchte dich dafür entschädigen.«
Solche hübsch klingenden Versprechen machte er häufig, nur hielt er sie selten. Dieses Mal jedoch tat er es. Eine Weile herrschte ein zerbrechlicher Burgfriede zwischen uns.
Sein Antrag wurde zur Beratung angenommen, aber dieses Parlament traf noch keine Entscheidungen. Durch Williams öffentliche Erklärung, wir seien verheiratet, galt ich jetzt natürlich bei allen Geschäften als seine Ehefrau, was meine Probleme weiter verschlimmerte, denn Williams Finanzlage und sein geschäftliches Ansehen waren dürftig. Und trotz Beglaubigungsschreiben des Duke of Lancaster, in denen er mir und allen, die mit mir Handel trieben, seinen Schutz zusagte, zögerten viele Kaufleute nach wie vor, mit mir Abschlüsse zu machen, da mein Verbannungsurteil noch nicht offiziell aufgehoben war.
Einmal mehr konnte ich mich in diesen Tagen auf meine Freunde verlassen. Richard Lyons und Robert zerstreuten die Sorgen jener Händler, die für mich am wichtigsten waren.
Robert und ich lebten jetzt ganz für die Zeiten, in denen William für zwei Wochen oder länger verschwand. Dann träumte ich in Roberts Armen davon, frei zu sein.
Meine Tochter Joan schien sich ebenfalls in Robert verliebt zu haben. Plötzlich wurde sie eitel, was ihre Kleidung betraf, folgte ihm auf Schritt und Tritt über das gesamte Gut, versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erregen und hing an seinen Lippen, wenn er sprach. Er benahm sich höchst galant ihr gegenüber. Jane bildete von ihrem Erscheinungsbild her das genau Gegenteil ihrer Schwester. Sie war verrückt nach Tieren und ständig zierte sie eine Mischung aus Federn, Stroh, Matsch und Blut, die sie stolz wie ein Ehrenzeichen trug. Ich ging völlig in der Erziehung meiner Töchter auf, ihr Anblick war steter Balsam für mein geschundenes Herz.
Das gut ein Jahr später zusammentretende Parlament gewährte William und mir Straffreiheit dafür, dass ich nicht ins Exil gegangen war und William mir die ganze Zeit über Schutz gewährt hatte. Allerdings war ich damit weder völlig
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