Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
Chance auf Frieden zwischen England und Frankreich gesehen hatte. Schön, gebildet und in prachtvoller Garderobe war sie, meiner Großmutter zufolge, in England eingetroffen, nur um zu erkennen, dass ihr hübscher junger Gemahl sein Herz und seine ewige Hingabe bereits seinem Waffenbruder Piers Gaveston versprochen hatte. Nicht gewillt, sich mit Niederlagen einfach abzufinden, förderte Isabella daraufhin heimlich die ablehnende Haltung des Adels gegenüber Gaveston, während sie zugleich dem jungen König, ihrem Gemahl, zur Seite stand und sich als dessen Beraterin unentbehrlich machte.
Jahre nach Gavestons Exekution nahm ein weiterer hübscher Ritter, Hugh Despenser, Isabellas Rolle als Edwards Partner ein. Despenser beschied sich nicht mit Vermögen und Gunstbeweisen wie Gaveston, ihn dürstete nach Macht, und er eignete sie sich ohne jeden Skrupel an. Isabella reiste nach Frankreich, brachte es zuwege, dass ihr Sohn, Edwards Thronfolger, dort zu ihr stieß, und verbündete sich mit Roger Mortimer, einem englischen Baron, der aus dem Tower hatte fliehen können, wo er eingekerkert worden war, nachdem Edward ihm sämtliche Titel und Ländereien aberkannt hatte. Sie wurde Mortimers Geliebte, und gemeinsam planten und leiteten sie eine Invasion, die zu Despensers langer, äußerst qualvoller und öffentlicher Hinrichtung führte und
schließlich auch zum Mord an ihrem Gemahl König Edward, dem Vater des jetzigen Königs.
Selbst in ihrem fortgeschrittenen Alter war Isabella weiterhin eine umtriebige Frau, die in ihrem eleganten Schloss in Castle Rising oder einer ihrer anderen königlichen Residenzen regelmäßig Angehörige aus den Herrscherfamilien Europas empfing.
Ich hatte nicht gewusst, dass eine Frau derart einflussreich sein konnte. Auch wenn sie ihre größte Macht als Königin ausgeübt haben mochte, war ihr ein gewisses Maß sogar noch erhalten geblieben, nachdem ihr Geliebter für den Mord an ihrem Ehemann, einem gesalbten König, gesorgt hatte. Das widersprach allem, was mir jemals über die Rolle von Frauen und über unsere ganz eigenen Fähigkeiten beigebracht worden war. Ich stellte mir vor, dass sie unter ihren eleganten Röcken männliche Genitalien verborgen hielt und ein Dämon als Vertrauter auf ihrer linken Schulter saß. In unserem Haushalt schilderte sie dagegen jeder als schön, höchst fraulich, anmutig und gerecht, wenn auch nicht sonderlich nachsichtig.
All das Grübeln über Isabella verstärkte meine Unruhe nur. Ich stand auf und schickte nach Gwen, da ich noch ausreiten wollte, bevor ich mich für die Ankunft der Königinwitwe umziehen musste. Serenity war gesattelt und bereit, als ich in den Hof trat. Janyns Vater stand neben seinem eigenen Pferd.
»Ich freue mich über Eure Gesellschaft, Vater«, sagte ich und küsste ihn auf beide Wangen, »aber ein Reitknecht hätte zu meiner Begleitung doch genügt.«
»Nicht heute, meine liebe Tochter«, sagte er. An seinen vergnügt leuchtenden Augen konnte ich ablesen, wie gelegen ihm die Chance kam, den hektischen letzten Vorbereitungen zu entfliehen.
Der Morgen war herrlich. Eine – für Ende Oktober – als wohltätige Gnade empfundene Wärme und Sonnenschein nach einer stürmischen Nacht. Mein Schwiegervater war in redefreudiger Laune und erzählte von vergangenen Festen mit der Königinmutter Isabella. Meine bohrenden Nachfragen brachten ihn dazu, in all seinen Geschichten das Wohlwollen zu betonen, das die Königinwitwe gegenüber unserer Familie hegte.
Dennoch hatte sich meine Angst bei unserer Rückkehr nur wenig gelegt.
Gwen und Dame Tommasa führten mich eilig in mein Zimmer, um mich zu baden und anzukleiden. Ich sollte nach Möglichkeit bereits in der Halle anwesend sein, wenn der Herold die Ankunft des königlichen Besuchs ankündigen würde. Ungeachtet der Warnung von Dame Agnes, in Gegenwart der Königinwitwe keinesfalls Rot zu tragen, bestand meine Schwiegermutter darauf und verwarf alle wohlgemeinten Ratschläge mit der Versicherung, dass Lady Isabella ganz gewiss nichts dagegen haben würde. Ich sollte also mein Hochzeitsgewand tragen, doch natürlich musste dieses Mal mein Haar im Nacken hochgesteckt und teilweise von dem schönen roten Brokatkopfschmuck verdeckt werden. Ich war nun eine verheiratete Frau, die eine hochwohlgeborene Lady und deren Gesellschaft in ihrem Haus empfing – eine Lady, der ich zwar noch nie begegnet war, die ich aber schon jetzt fürchtete und der ich schon jetzt misstraute.
Dame Tommasa war
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