Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
Verbot. Ich befürchtete, solche Heimlichkeiten könnten das Vorzeichen für Hader sein, und hatte Angst vor möglichen Folgen. Diese Ungewissheit warf einen Schatten auf mein Glück.
Ungeachtet meiner Umstände war ich im Hausstand schon bald viel beschäftigt. Ich kaufte ein, nähte und stellte sogar einige weitere Bediente ein, wobei ich stets darauf achtete, vorab den Rat von Gertrude, Gwen oder dem Koch Angelo einzuholen. Es bereitete mir Vergnügen, mit den Kaufleuten zu handeln und neue Gegenstände zur Verschönerung des Hauses auszusuchen. Dame Tommasa hatte mich in dieser Hinsicht angeregt. Alles in allem fand ich meine Pflichten ungeheuer befriedigend.
Allerdings schwankte meine Gemütslage immer heftiger, und ich war dankbar für die täglichen Besuche in meiner neuen Gemeindekirche, vor allem da ich einen Beichtvater kennengelernt hatte, der mir die Anspannung zu nehmen verstand. John de Hanneye war ein junger Priester, der dem altgedienten Pastor zur Seite stand, um sich auf die erste Übertragung einer eigenen Gemeinde vorzubereiten. Er kannte Janyn und mochte die Familie Perrers, aber nicht deshalb fühlte ich mich zu ihm hingezogen. Ich spürte vielmehr vom ersten Moment an eine starke Verbindung zu ihm, eine Vertrautheit, die ich nicht zu erklären wusste. Gwen gefiel er ebenfalls, und sie verstand es, sich ein wenig zu entfernen und selbst zu beschäftigen, während ich mit ihm sprach. Ich ging das Wagnis ein und bekannte ihm meine Besorgnis, was den Einfluss der Königinwitwe auf meine Ehe, meinen Gemahl und dessen Mutter betraf. Vorsorglich wählte ich dafür jedoch den Rahmen des Beichtgeheimnisses. Ich war sehr angetan davon, wie wohlwollend er mir zuhörte, ohne mich mit hohlen Beschwichtigungen abzuspeisen. Gemeinsam beteten wir dafür, dass Gott meine Familie beschützen möge.
Ich wurde einer Vielzahl von Janyns Gildefreunden und deren Frauen vorgestellt und schloss ein paar neue Freundschaften. Einen gelegentlichen Dinnergast jedoch mochte ich gar nicht, einen Flamen namens Richard Lyons. Ihm misstraute ich von Beginn an. Seine ungehobelten Manieren und seine derbe Sprache ließen keinen Zweifel daran, dass er von niederer Geburt war. Dennoch tolerierten Janyns Kaufmannsfreunde seine Widerwärtigkeiten, da er wohlhabend war und insbesondere in den lukrativen Hofkreisen viel Einfluss besaß. Bei unserer ersten Begegnung musterte er mich lüstern, entkleidete und schändete mich mit seinen dreisten Blicken. Am liebsten hätte ich ihn geschlagen.
Janyn drückte jedoch meine Hand und flüsterte: »Schenk seinem Auftreten keine Beachtung. Sprich mit ihm, als verfüge er über all die Feinsinnigkeit eines Ritters am Minnehof, Alice. Ich brauche ihn. Er besitzt die einzigartige Fähigkeit, stets zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. In weite Kreise der königlichen Familie und anderer Adelshäuser hat er sich eingeschmeichelt, indem er als Erster Kredite anbot, wenn ihnen das Geld ausging.«
Misstrauisch war ich auch gegenüber den lombardischen Geldverleihern und Händlern, mit denen Janyn verkehrte. Zwar galt er nicht als Mitglied dieser Gruppe, die unter Londonern als ›Gesellschaft von Lucca‹ bekannt war, stand jedoch über die Familie von Dame Tommasa mit ihr in Verbindung. Seinen Erklärungen zufolge musste er sich ihrer Freundschaft versichern, da er in ihrem Gebiet Handel trieb. Sie waren elegant und höflich, spannende Geschichtenerzähler und alles in allem eine höchst angenehme Gesellschaft. Dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, ihre Bekanntschaft könne gefährlich sein.
Das Problem bestand darin, dass die Londoner Händler sie als unliebsame Konkurrenten betrachteten. Tatsächlich genossen die Lombarden im Gegenzug für Kredite bestimmte Privilegien – wie niedrigere Steuern und andere königliche Vergünstigungen –, die den Londoner Händlern nicht vergönnt waren. Die Männer der Gesellschaft von Lucca galten zudem als notorische Schmuggler, und es war nur verständlich, dass Händler, die zusätzlichen Einkommensquellen abschworen, um den Gesetzen des Landes und den Regeln ihrer Gilde Folge zu leisten, nichts mehr verabscheuten als Schmuggler. Ich fürchtete, unsere Verbindung mit ihnen könnte unseren guten Ruf gefährden, aber Janyn sagte über sie fast das Gleiche, was er über Richard Lyons gesagt hatte, nämlich dass er sie brauche. Für Lyons seinerseits
konnte dieser Grund zwar nicht gelten, trotzdem suchte auch er ihre Gesellschaft.
An Weihnachten
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