Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
vorsichtiger Neugier musterte. »Meines?«, fragte ich in stockendem Flüsterton. Niemals würde ich ein solches Pferd bändigen können.
»Hättet Ihr Lust, Melisende einen Apfel zu geben, Dame Alice?«, fragte der Pferdeknecht. Er nickte einem etwas abseits stehenden Burschen zu, der nun auf mich zugerannt kam und mir eine Auswahl Äpfel anbot.
Natürlich trat ich sofort vor, nahm einen der Äpfel und hielt ihn hinter mich, während ich sanft die Flanke der Stute streichelte. Melisende suchte nach dem Obst und stupste mit der Nase an meine Schulter. Ihre sorgfältige Ausbildung zeigte sich in der behutsamen Art, wie sie mir die Belohnung von der flachen Hand fraß.
»Ihr habt Lady Isabella mit der Patenschaft überaus glücklich gemacht, Dame Alice. Ich danke Euch.«
Ich erwiderte etwas, das in angemessen höflicher Form meine Dankbarkeit bezeugen sollte, und überlegte zugleich, wie die Mitglieder des Königshofs es nur lernten, stets so gelassen und unbefangen zu klingen, wenn sie derart offensichtliche Unwahrheiten von sich gaben. Sobald Isabella sich entschieden hatte, Patin unseres Kindes zu werden, war mir in dieser Sache keine Wahl mehr geblieben.
Mein Jagdpferd sollte gestriegelt werden und sich ausruhen. Einerseits drängte es mich, die Stute zu reiten, andererseits kam ich mir treulos gegenüber Serenity vor, und es widerstrebte mir auch, noch tiefer in Isabellas Schuld zu stehen. Außerdem bereitete mir der Blick des Earls Unbehagen, der genau auf den Punkt gerichtet war, wo die Halskette zwischen meinen Brüsten verschwand. Trotzdem drückte ich ihm meinen Dank so überschwänglich aus, wie Janyn es von mir erwartete.
Die Tafel verlief lebhaft mit Scherzen und Erzählungen über die letzten Turniere und Feste am Hof. Ich erfuhr, dass unser König aufwendige und kunstvolle Verkleidungsspiele liebte, bei denen er besonders gerne in die Rolle legendärer Heldengestalten schlüpfte. Isabella war stolz auf ihn, und Richmond schien sich schmerzhaft bewusst zu sein, in welch großem Schatten er stand. Ich fragte mich, wie es wohl wäre, den König kennenzulernen, und ob es je dazu kommen würde. Aufmerksam beobachtete ich, wie Janyn und seine Eltern sich gegenüber den Mitgliedern des Königshauses verhielten. Sie wirkten ungezwungen, achteten allerdings darauf, der Königinwitwe oder ihrem Enkel nie zu widersprechen und auf jede ihrer Bemerkungen einzugehen. Ich war in diesem Moment stolz, eine Perrers zu sein, und voller Dank für alles, was meine Heirat mir gebracht hatte.
Nach dem Essen zerstreute sich die Gesellschaft, um ein wenig auszuruhen. Gwen hatte die Kissen auf meinem Bett so gestapelt, dass ich mich hinlegen konnte, ohne dass meine Frisur anschließend neu gemacht werden musste. Ich hatte erst kurz gedöst, als sie mich wieder weckte.
»Die Königinmutter hat nach Euch gefragt. Sie sagte, sie hätte Euch in den Stallungen etwas zu zeigen.«
Aber ich hatte doch Melisende schon gesehen. Sicherlich wusste sie davon. Rasch zog mir Gwen Reitkleidung an, und bereits in der Halle stieß ich auf Isabella. Sie trug ihr dunkles Jagdgewand und sah nun fast so aus wie bei unserer ersten Begegnung. Der kurze Mittagsschlaf schien sie belebt zu haben.
»Endlich«, seufzte sie stimmlos, als ich erschien. »Auf geht’s! «
Draußen im Stall war mein neues Jagdpferd gesattelt worden, ebenso Isabellas herrliches Pferd sowie die von Janyn, Master Martin und Sir David. Der Earl of Richmond war schon zum königlichen Jagdschloss aufgebrochen. Wir verließen den Stall, die Knechte führten die Pferde der Damen, die Männer die ihren selbst, und gingen auf ein Nebengebäude zu, aus dem der Falkner trat. Auf seinem Handgelenk saß ein behaubter Merlin, dessen winzige Glöckchen klingelten, als er leicht mit den Flügeln schlug. In seiner freien Hand hielt der Falkner einen zweiten Handschuh.
»Als Dank dafür, dass Ihr mir die große Freude bereitet habt, mir die Patenschaft Eurer Tochter zu übertragen und ihr meinen Namen zu geben, schenke ich Euch dieses Merlinweibchen«, sagte Isabella, und das Vergnügen daran, ein solch großartiges Präsent zu überreichen, ließ ihr schönes Gesicht aufleuchten. In Adelskreisen waren die Weibchen dieser kleinen, kostbaren Falkenart besonders begehrt. »Möge Dido stets gut für Euch jagen.«
»Mylady«, sagte ich, bemüht, dass mir der Atem nicht stockte, »Ihr erweist meiner Familie eine hohe Auszeichnung. Möge Gott Euch segnen und Euch auf all Euren Wegen
Weitere Kostenlose Bücher