Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
ließ.
Janyn wie Isabella nickten anerkennend. Auch dies erfreute mein Herz.
Wir verbrachten einen ruhigen Abend in der Halle. Alle waren rechtschaffen müde und zogen sich früh zurück. Da es warm war, standen die verglasten Fenster des Hauses offen, und in den frühen Morgenstunden wurde ich von Stimmen im Garten unter uns geweckt. Ich glaubte, Isabella und Lady Jane zu erkennen. Als ich aufstehen wollte, um nach ihnen zu sehen, hielt Janyn mich zurück.
»Ihre Frauen werden sich um sie kümmern, Alice. Sie ist nachts häufig unruhig. Lass sie einfach.« Obwohl seine
Stimme noch heiser vor Schlaf war, besaß sie einen entschiedenen Ton.
Ich sank in die Kissen zurück, obwohl ich mittlerweile hellwach war. »Glaubst du, sie wusste, dass ihr Geliebter den Mord an ihrem Gemahl befahl? Glaubst du, sie wacht deshalb ständig nachts auf?«
»Über so etwas wollen wir nicht sprechen, mein Lieb.«
Ich stützte mich auf und berührte seine Schulter. »Aber wir sind so eng mit ihr verbunden. Ist es nicht normal, die Wahrheit über jemanden wissen zu wollen, dem wir zu Diensten sind?«
»Sie verhält sich unserer Familie gegenüber äußerst großzügig, Alice. Warum sollten wir ihr Tun infrage stellen?«
»Hast du denn so viel Angst, die Geschäfte mit ihr einzubüßen? «
Janyn setzte sich auf, strich sich die Haare aus der Stirn und rieb sich die Augen. »Herrgott, Alice, lass doch die Vergangenheit ruhen. Sie ist die Tochter, die Schwester, die Witwe und die Mutter von Königen, und wir sind gemeines Volk. Wir mögen zwar gerne wissen wollen, was tatsächlich mit unserem vorherigen König geschehen ist, und wir mögen auch das berechtigte Gefühl haben, dass es um unserer eigenen Sicherheit willen von Vorteil wäre, ein klareres Verständnis der Frau zu haben, die uns solche Gunst erweist, aber wir müssen es einfach ruhen lassen. Es ist zu gefährlich, die königliche Familie gegen sich aufzubringen. Dabei steht weit mehr auf dem Spiel als der Verlust einiger Umsätze.« Er zerzauste mir die Haare. »Ich hätte gedacht, du würdest jetzt selig von Melisende und deinem Merlin träumen.«
»Das habe ich auch.« Ich versuchte, wieder ruhiger zu werden, aber es wollte mir nicht gelingen. »Warum aber erweist sie uns derart bevorzugt ihre Gunst, Janyn? Patin unseres Kinds, der Vogel, das Pferd, die Hilfestellung, indem
sie meine Eltern davon überzeugte, in unsere Heirat einzuwilligen. Was erhält sie dafür im Gegenzug von uns? Das können doch nicht allein deine Dienste als Händler sein.«
Zu meiner Überraschung brach er in Lachen aus. »Ich weiß auch nicht, wie ich glauben konnte, dich in dieser Frage zum Schweigen zu bringen. Aus all den Gründen, aus denen ich dich liebe und deine Ratschläge zu schätzen weiß, hätte ich damit rechnen müssen, wie ungeduldig dich Geheimnisse werden lassen.«
»Du weißt also doch mehr, als du mir bislang erzählt hast.«
Er drehte den Docht der Öllampe hoch, um mehr Licht zu schaffen. »Ist in dem Holzbecher neben dir noch Wein?«
Ich nahm den schweren Becher vom Bord und reichte ihn Janyn. Er schien ihn in einem Zug leeren zu wollen.
»Du wirst zu trunken sein, um zu reden«, bemerkte ich spitz.
Er setzte den Becher ab, reichte ihn jedoch nicht zurück.
»Lady Isabella führte seinerzeit einen erfolgreichen Umsturz an. Sie hatte eine eindrucksvolle Streitmacht um sich versammelt, eine gewaltige Streitmacht, die hauptsächlich aus Untertanen des Königs bestand. Als ihr eigener Sohn später ihren Geliebten ergreifen ließ, den Oberkommandierenden ihrer Truppen, fürchtete sie, auch andere ihrer Gefolgsleute könnten festgenommen werden. Einige dieser Männer flüchteten auf den Kontinent. Ein paar besonders bedeutende ließen sich nahe des Geburtsorts meiner Mutter nieder. Isabella schreibt ihnen regelmäßig, und sie schreiben ihr. Die Familie meiner Mutter übernimmt dabei die Kurierdienste. «
»Du?«
Er nickte. »Von England aus bin ich derzeit meist damit beschäftigt.«
Ich bekreuzigte mich. »Aber das ist alles schon so lange her. Dreißig Jahre. Wie viele leben denn überhaupt noch? Warum sollten sie den König noch immer fürchten?«
»Viele sind noch am Leben. Was den Grund betrifft, warum sie nicht zurückkehren, danach frage ich nicht.« Seine Stimme klang jetzt angespannt. »Ich bin bloß ein Kurier. Und die Königinmutter erweist sich überaus dankbar für unsere Dienste und vor allem für unsere Verschwiegenheit. Und nun wollen wir
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