Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
angreifen, die ihnen nichts getan hat? Die Tuchhändler haben den Landfrieden gebrochen, denn die Lombarden stehen doch auch unter dem Schutz des Königs, oder?«
»Der königliche Schutz lässt die Lombarden kühn werden.
Viele von ihnen betreiben in einem Maße Schmuggelhandel, wie es sich ein Londoner Kaufmann nie erdreisten würde«, erklärte John.
Darin konnte ich ihm nicht widersprechen, da es auf einige von ihnen tatsächlich zutraf, allerdings hätte ich korrigieren können, dass es sich dabei um zahlenmäßig ›viele‹ handelte. Doch ich unterließ es, da ich hören wollte, was mein Bruder noch zu berichten wusste. Ich fragte mich, ob die Gesellschaft womöglich in Verbindung mit jenen Gefolgsleuten Isabellas stand, die sich in Italien verbargen.
»Die beiden Lombarden haben dem König Geld geliehen«, sagte ich. »Das haben sie alle. Deshalb gewährt er ihnen seinen Schutz.«
»Wenn sie die Gunst des Königs genießen, was sollten sich die Londoner Tuchhändler dann davon versprechen, solche Angriffe zu dulden, das begreife ich nicht«, sagte Nan. »Wie Master Martin erzählte, hat die Gilde nichts unternommen, um die beschuldigten Männer zu bestrafen.«
»Sie wissen nicht, wer an dem Angriff beteiligt war«, sagte John.
An Nans Gesichtsausdruck konnte ich ablesen, dass sie anderes gehört hatte. Da ich auf einem schmalen Grat zwischen beiden Lagern wandelte, wollte ich es gar nicht genauer wissen.
Nach dem Abschied von meinen Angehörigen ließ mich die Erkenntnis nicht zur Ruhe kommen, wie unvereinbar familiäre Rücksichtnahmen und Verpflichtungen zu werden drohten. Janyn und Bella und alle, die mir so sehr am Herzen lagen, wurden von einem Übel bedroht, dem wir kaum entrinnen konnten. Ich ging in die Kirche und vertraute Dom Hanneye meine Sorge an, dass Janyns plötzlicher Wunsch, mich fremde Sprachen lernen zu lassen, etwas mit den wachsenden Feindseligkeiten zwischen den Londoner
Gilden und den Lombarden zu tun haben könnte, und dass sich die Gilden am Ende von uns abwenden würden. Er versuchte mich mit der Nachricht zu beruhigen, einige Tuchhändler hätten sich beim Bürgermeister bereits für die Opfer verwandt.
»Es geht nicht nur einfach um Londoner gegen Lombarden. Ich würde Euch raten, sorgt Euch nicht länger darüber und nehmt das Geschenk des Wissens, das Euer Mann Euch darbietet, mit Dankbarkeit und Liebe in Empfang. Nutzt die Möglichkeiten, die er Euch gewährt. Nur wenigen Frauen – ja, nur wenigen Männern – sind solche Segnungen vergönnt. Ich möchte damit die Feindseligkeiten zwischen ausländischen und Londoner Kaufleuten keineswegs leugnen, Dame Alice, aber Eure Familie ist in dieser Stadt wohlangesehen, und Euer Mann und dessen Vater sind gebürtige Londoner und Gildemitglieder – sie sind gewiss nicht der Feind.«
Ich war ihm für seinen Rat dankbar. An diesem Abend erzählte mir Janyn von dem Überfall, und es gelang mir, ihm mit einer gelassenen, reifen Haltung zu begegnen, die ihn offensichtlich erleichterte. Er berichtete mir wenig, was ich nicht bereits wusste, aber entscheidend war, dass er mir überhaupt davon erzählte, sobald er im Besitz aller Tatsachen zu sein glaubte. Ich sah darin ein Zeichen seiner Offenheit mir gegenüber und war zwar noch lange nicht unbesorgt, aber angesichts seiner Aufrichtigkeit doch immerhin sehr beruhigt.
Zwei Abende später kam Janyn zu mir in die Halle, wo ich im dämmrigen Licht an einer Stickarbeit saß.
»Du solltest dich ausruhen«, sagte er und drückte meine Schulter. »Du hast in den nächsten Tagen noch so viel zu tun.«
»Eigentlich nichts Ungewöhnliches.«
Er lachte in sich hinein. »Ach ja? Kommt es denn jeden Tag vor, dass wir zur Jagd auf Hertford Castle eingeladen sind, wo die Königinmutter im Moment residiert?«
Ich ließ meine Arbeit fallen. »Wir? Eingeladen in den Palast von Lady Isabella? Zum Jagen?« Mit jeder Frage wuchs die Erregung in meiner Stimme.
»Ist das Freude oder Bestürzung?«
Ich würde gemeinsam mit meinem geliebten Mann reisen. Ich erhob mich, schlang die Arme um Janyn und küsste ihn auf Hals, beide Wangen und dann auf den Mund, der mit Abstand längste Kuss.
»Ah, welche Wonne«, sagte er mit fröhlich blitzenden Augen. »Du bist so wunderschön, Alice. Und du machst mich so glücklich.«
I-6
»Doch ach, von allzu kurzer Dauer bleibt
Nur leider solche Freude dank Fortuna,
Die hold wie nie sich gibt, will sie verderben,
Und täuscht durch ihren Truggesang uns
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