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Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)

Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Campion
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Narren.
Sie blendet, fängt uns ein, die aller Falsch ist!
Und wenn vom Rad sie wieder einen schleudert,
Dann lacht sie auf und schneidet ihm Grimassen.
    GEOFFREY CHAUCER:
TROILUS UND CRISEYDE, IV 1 – 7

1357
    Selbst so lange nach diesem Ereignis erinnere ich mich noch gut daran, wie aufgeregt ich gewesen bin, als wir nach Hertford Castle aufbrachen. Ein Jahr zuvor hatten wir geheiratet, ein Jahr voller neuer Erfahrungen für mich, aber dies würde mein erster Besuch bei einem Mitglied des Königshauses sein. Am Abend zuvor hatte die Besorgnis, wie meine süße Bella eine knappe Woche ohne mich zurechtkommen würde, meine gespannte Vorfreude noch gedämpft. Um ehrlich zu sein, galt diese Besorgnis allerdings in gleichem Maß der Frage, wie ich ohne sie zurechtkommen würde.
    Doch sobald ich in der frischen Morgenluft auf Melisende saß und Janyn an meiner Seite ritt, so stattlich, so voller
Leben, da bat ich Gott, er möge mir helfen, alle unnützen Gedanken abzuschütteln. Er erhörte meine Gebete, denn ich war schon bald ganz vom hektischen Trubel der Londoner Straßen gefangen und nahm gierig mit Augen, Ohren und Nase alle Eindrücke auf. Kurze Zeit später ritten wir aus der Stadt aufs Land hinaus, und die plötzliche Stille beruhigte mich weiter. Ich genoss die Reise, bis ich die düsteren Außenmauern der Burg erblickte.
    Bis zu diesem Moment hatte ich gar nicht daran gedacht, wer wohl hier, abgesehen vom König, derzeit noch wohnen oder zu Besuch sein könnte. Ich war schon entsetzt genug darüber, ihm zu begegnen, obwohl ich zugleich natürlich auch gespannt darauf war. Ich fragte mich, ob er aussehen würde wie ein König, nicht einfach wie ein Normalsterblicher, sondern weise und mächtig. Als wir das Außentor passierten und in den Burghof ritten, sah ich hinauf zu der aufwendig gestalteten Fassade des Bergfrieds mit dem in weichen Rottönen kunstvoll aufgemalten Quadermauerwerk. Davor waren in regelmäßigen Abständen imposant gekleidete Wachen postiert. Mich überkam ein Gefühl der Bedeutungslosigkeit angesichts meiner gemeinen Abstammung. Dies war ganz offensichtlich eine königliche Residenz, und ich war nur die Frau eines Kaufmanns. In meiner Aufregung hatte ich dies wohl vergessen.
    Als Janyn mir vom Pferd half, klammerte ich mich an ihn und flüsterte: »Was in Gottes Namen tun wir hier eigentlich? Dies ist nicht unsere Welt. Wir sind Kaufleute, keine Höflinge.«
    Er küsste meine Wange und entzog sich sanft meiner Umklammerung.
    »Du bist ein geladener Gast, Alice. Es mag eine königliche Residenz sein, aber du bist hier willkommen. Sei unbesorgt. « Er streifte meine Reisekapuze nach hinten und küsste
mich auf die Stirn. »Du bist von der Reise ermüdet, daher rührt dein Kummer.«
    Wir stiegen die Treppe zum Rittersaal hinauf, und die jähe schmerzliche Erkenntnis der Kluft zwischen meiner Stellung und jener der Königinwitwe lähmte meine Beine wie ein furchtbares Gewicht.
    Die Größe und Pracht im Innern des Palasts verschlug mir den Atem. Wir kamen erst durch einen kurzen, mit wunderschönen Wandbehängen verkleideten Korridor, in dem goldene und silberne Fackeln und Lampen brannten, und betraten dann den großen Rittersaal, dessen Ausmaße unsere Schritte widerhallen ließen und wo wir über Fliesen schritten, wie ich sie nur aus den bedeutendsten Kirchen kannte. Bediente, die besser gekleidet waren als die meisten Londoner, standen hinter kunstvoll verschnörkelten Sichtschirmen oder direkt an den Wänden, als würden sie die enormen Truhen und Schränke bewachen. Sie bewegten sich geräuschlos und sprachen leise.
    Auf der wenige Stufen erhöhten Estrade am anderen Ende des Saals saßen zwei ins Gespräch vertiefte Männer. Ein Diener führte uns dicht an ihnen vorbei. Ich bemühte mich, nicht hinzusehen, aber meine Augen schienen einem eigenen Willen zu folgen, und so blickte ich unvermittelt in große, äußerst blaue Augen, die mich durchdringend musterten. Sie gehörten einem Mann mit hohen, ausgeprägten Wangenknochen, einer langen, vornehmen Nase und einem kräftigen Kinn, das auch hinter dem gepflegten weißen Bart noch deutlich auszumachen war. Sein schönes, wohlproportioniertes Gesicht wurde von dichtem weißen, gewelltem Haar eingerahmt, das eine Krone zierte.
    Es war der König. Allmächtiger Himmel, er war genauso, wie ich mir einen König immer vorgestellt hatte. Von seinen breiten, aufrecht gehaltenen Schultern hing eine höchst
edle blaue Seidenrobe, die mit

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