Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
goldenen und silbernen Lilienblüten geschmückt war. Er schien mich für einen Moment prüfend zu betrachten, dann wandte er sich mit einem leichten Nicken ab. Ich hatte nicht zu atmen gewagt, solange der Blick von King Edward auf mir lag, und versuchte nun ein lautes Luftholen zu unterdrücken. Prompt geriet ich ins Taumeln, und Janyn legte einen Arm um mich.
»Bist du so erschöpft, mein Lieb?«
Mit zärtlicher Besorgnis stützte er mich, während wir dem Diener in einen weiteren Korridor folgten, der ebenso herrlich dekoriert war wie der Eingang. Schließlich wurden wir in das Gemach der Königinmutter geführt – ein wahres Schmuckstück von einem Raum. Die gemauerten Wände besaßen eine Stärke von einem Meter und ließen deshalb nur spärliche Lichtstreifen einfallen, aber sie waren weiß getüncht, mit Blumen bemalt und mit kostbaren Tapisserien behängt. Kissen und Webmatten in leuchtenden Farben polsterten die mächtigen Möbelstücke und den gefliesten Boden.
Königinmutter Isabella erhob sich von einem schmalen Bett, auf dem sie geruht hatte, und begrüßte uns herzlich.
»Ihr werdet Euch eine Weile ausruhen und dann bei einem Festmahl im Rittersaal unsere anderen Gäste kennenlernen. Morgen stehen wir in aller Frühe auf, um zu jagen.«
Ich hatte nur wenige Worte ihr gegenüber herausgebracht, so sehr hatte mir all die Pracht die Sprache verschlagen. Wir wurden in eine kleine, aber erlesen eingerichtete Eckkammer im oberen Stockwerk geführt. Gwen entkleidete mich, und ich fiel sofort in einen tiefen Schlaf. Als sie mich später weckte, war ich anfangs von meiner Umgebung irritiert.
»Wo ist meine Kleine? Wo ist Bella?«, rief ich.
Janyn und Gwen beruhigten mich und brachten mir in Erinnerung, wo ich mich befand. Meine Verwirrtheit ängstigte
mich, aber die beiden meinten, dass dies nur dem langen Ritt geschuldet sei. Immerhin hatte ich eine derart weite Reise noch nie unternommen. Ich glaubte ihnen nur allzu gerne, dennoch bat ich für den Fall, dass meine Angst doch eine Vorahnung gewesen war, darum, in der Kapelle ein kurzes Gebet sprechen zu dürfen.
»Zuerst soll Gwen dich für das Festmahl ankleiden, dann werde ich dich für eine kurze Fürbitte zur Kapelle bringen, aber wir dürfen nicht trödeln.« Janyn verbeugte sich vor mir und setzte sich zum Warten in einen gepolsterten Sessel bei der Tür.
Hinter einem hohen Wandschirm, dessen Schnitzwerk von fantastischen Flügelwesen wimmelte, hatte Gwen ein neues Kleid aus roter, mit Goldfäden durchwirkter Seide bereitgelegt, dazu ein seidenes Untergewand von einem satten Blau wie Lapislazuli. Mein Haarnetz war aus Gold. Zu unserem ersten Hochzeitstag hatte Janyn mir einen Ring aus Silber, Gold und Lapis geschenkt. Auch meine Schuhe leuchteten in einem kräftigen Blau.
Im Spiegel konnte ich mein glanzvolles Ebenbild sehen. Ich liebte es so, mich in herrliche Stoffe zu kleiden. Dennoch blickten mir aus dem Spiegel verängstigte Augen entgegen. Ich gehörte einfach nicht an einen königlichen Hof. Ich wusste nicht, wie ich mich zu verhalten hatte.
Erst als ich hinter dem Schirm hervortrat, gab mir Janyns Miene wieder etwas Sicherheit zurück. »Welch eine Schönheit du doch bist, meine Alice«, murmelte er und küsste meine Hand, mein Handgelenk, meinen Hals …
Gwen erinnerte uns daran, dass uns nicht mehr viel Zeit für einen Abstecher zur Kapelle blieb. Mit einer Verbeugung geleitete mich Janyn aus der Kammer. Wir rauschten durch Korridore, in denen Wandbehänge alle Geräusche dämpften. Ich fragte mich, wie viel von ihrem Vermögen Isabella
wohl für die Tapisserien ausgegeben haben mochte, denn zweifellos hingen sie erst seit ihrer Ankunft hier, zu eindeutig schienen sie mir den Geschmack einer Frau zu spiegeln: Geschichten aus der Sagenwelt und der Minnedichtung, nirgends Schlachtszenen, nicht einmal religiöse Motive. Es war, als würde ich einen Ritterroman durchwandern.
Mit ihrem Wandgemälde eines Totentanzes bildete die Kapelle dazu einen herben Kontrast. Der Knochenmann in seinem Zentrum rief auf furchterregende Weise die eigene Sterblichkeit in Erinnerung. Um Schutz bittend, bekreuzigte ich mich. Das Flügelfenster aus bemaltem Glas hinter dem Altar stellte hingegen die Heilige Mutter Gottes mit dem Christuskind dar und wirkte überaus beruhigend. Ich kniete mich auf den Betschemel vor eine Statue der Jungfrau Maria und senkte den Kopf zum Gebet. Ich betete für meine Bella, dass sie sicher und wohlgemut in der Obhut ihrer
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