Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
Ecken und Winkel zu kennen. Jeden Abend weinte ich mich in den Schlaf.
In diesem ersten Herbst und Winter lebte ich nur unregelmäßig am Hof, da Queen Philippa in der kurzen Zeitspanne zwischen unserem Treffen im Jagdschloss und meiner Aufnahme
in ihre Dienste bei einem Jagdausflug mit dem König vom Pferd gefallen war. Heftige Schmerzen in der Hüfte und im unteren Rückenbereich fesselten sie seither ans Bett und machten es ihr unmöglich, an Staatsanlässen teilzunehmen, weshalb sie weniger Bediente benötigte.
Da ich wusste, dass meine Aufenthalte zu Hause kürzer ausfallen und weniger häufig sein würden, wenn sich meine Rolle am Hofe der Königin erst einmal fest etabliert hatte, wusste ich jeden Augenblick mit Bella und Janyn daheim zu schätzen. Doch die unstete Situation belastete mich und erschwerte die Alltagsabläufe im Haus. War ich bei Hofe, halfen die Haushälterin Gertrude und eine neue Kindermagd Janyn mit Bella, außerdem kam Dame Tommasa so häufig wie möglich vorbei. Deshalb missfiel es ihnen natürlich, den gewohnten Gang der Dinge zu ändern, wenn ich selbst zu Hause war. Meine inzwischen fast zweijährige süße Bella war beneidenswert anpassungsfähig, ich leider nicht. Ich umschwirrte sie derart aufdringlich, dass sie unter meiner Aufsicht zu quengeln begann.
Mit Janyn verhielt es sich kaum besser. Seit Isabellas Tod wirkte er ständig abwesend. Ich wollte noch immer unbedingt ein zweites Kind und umwarb ihn hartnäckig, da ich weiterhin der Überzeugung war, dass ich bei einer Schwangerschaft aus den Diensten der Königin entlassen und sich in meiner kleinen Familie alles zum Guten wenden würde.
In meiner Verzweiflung suchte ich sogar den Rat von Dom Clovis, einem Dominikanerbruder, dessen Name unter den Frauen in Diensten der Königin im Flüsterton weitergegeben wurde. Ich bat ihn, für Janyn und mich einen Liebestrank zu brauen. Clovis stellte ein Zaubermittel aus frommen Worten und Duftölen zusammen, das unsere Entfremdung aber nicht zu überwinden vermochte. Ich sah, dass Janyn ängstlicher denn je war, konnte ihn jedoch nicht erreichen.
Inmitten dieser Schwierigkeiten erhielten wir die furchtbare Nachricht, dass Geoffrey von den Franzosen gefangen genommen worden war. Mehrere Wochen lang verbrachte ich viele Stunden mit seinen Eltern in der Kirche und betete für seine wohlbehaltene Rückkehr. Als wir im März erfuhren, dass der König ihn freigekauft hatte, nahmen Janyn und ich an einer Feier im Gildehaus teil. Während ich überglücklich ob dieser guten Nachricht war, schien Janyn völlig in seinen Grübeleien verloren.
Im April wuchsen meine Verpflichtungen bei Hofe, da Queen Philippa darauf bestand, persönlich in die alljährlichen Festivitäten zu Ehren des heiligen Sankt Georg in Windsor einbezogen zu werden. Dort versammelten sich an diesem Feiertag die Ritter des Hosenbandordens zu Turnieren und Wettkämpfen. King Edward hatte den Orden zehn Jahre zuvor nach dem glorreichen Sieg bei Crécy gegründet. Sechsundzwanzig ritterliche Gefolgsleute schworen Treue gegen King Edward und untereinander. Jedes Jahr am Georgstag, dem dreiundzwanzigsten April, trafen sie sich zu einem großartigen Fest in Windsor, wo der König damit begonnen hatte, einen neuen Rittersaal für sie errichten zu lassen.
Bei derartigen Feierlichkeiten kleideten sich all jene, die in Diensten des Königs oder der Königin standen, in den just gewählten Farben ihrer Gebieter, was beim Hosenbandorden eine Betonung der Farben Azurblau und Gold bedeutete. Es erschien mir zwar unziemlich, so viel Zeit und Geld für eine allein auf diesen Tag abgestimmte Garderobe zu verwenden, doch damals lehnte ich grundsätzlich alles am königlichen Hof ab und befand mich in einer besonders düsteren Stimmung. Meine geliebte Bella war kurz zuvor in den Hausstand von Queen Joan of Scotland in Hertford Castle aufgenommen worden.
Queen Philippa hatte mir dieses Arrangement eines Morgens offenbart, als ich an ihrer Seite in der Nähstube arbeitete.
»Und dann nach Schottland?«, stöhnte ich auf. »So weit weg!«
»Joan dürfte kaum mit ihrem Gemahl nach Schottland zurückkehren«, sagte die Königin so leise, dass nur ich sie verstehen konnte.
Ich zwang mich ebenfalls leise zu sprechen, obwohl ich innerlich schrie.
»Warum muss sie ihr Zuhause verlassen?«
»Ihr wisst doch warum, Alice. Zu ihrem eigenen Schutz. Genau wie Euer Schweigen über den Grund, aus dem Ihr hier seid, allein Eurem Schutz dient.«
Ich
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