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Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)

Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Campion
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wagte es nicht, die Frage auszusprechen, die mich am meisten ängstigte. Warum gerade jetzt?
    Gerne hätte ich darum gebeten, dass Bella bei mir am Hofe lebte. Das jüngste von Philippas acht noch lebenden Kindern war ihr Sohn Thomas, mit drei Jahren kaum älter als meine Bella. Ihre beiden jüngsten Töchter, die zwölfjährige Margaret und die vierzehnjährige Mary, wohnten häufig bei ihr, und sogar Isabella, mit ihren sechsundzwanzig Jahren die Älteste, lebte regelmäßig hier. Die Königin liebte ihre Kinder und hätte daher womöglich Verständnis für meinen innigsten Wunsch aufgebracht, meine Tochter bei mir zu haben.
    »Wenn sie doch nur mit mir zusammen am Hof verweilen könnte.« Ich war beschämt, als ich an der Miene der Königin merkte, dass ich dies laut ausgesprochen hatte. »Ich bitte Euch, vergebt mir meinen Ausbruch, Eure Hoheit.«
    »Ihr seid es, die mir hier Beistand leisten sollt, nicht Eure Tochter. So verhält es sich mit all meinen Kammerfrauen und Hofdamen.« Gereizt schüttelte sie den Kopf. »Das
Kind eines Gemeinen, das in meinem Palast aufwächst – « Sie stach die Nadel in ihre Stickerei. »Das würde zu Klatsch und Gerede führen. Gefährlichem Gerede.«
    »Gewiss, Eure Hoheit.«
    Es gab zwei Grade wohlgeborener Frauen in Diensten der Königin. Diejenigen von uns, die von Geburt her über den Kammerdienerinnen standen, jedoch nicht von adligem Geblüt waren, kleideten sie an und verrichteten andere persönliche Handreichungen, während die Adelsfrauen als ihre Gesellschafterinnen und mitunter auch Botinnen wirkten. Tagsüber zählte ich zu denen, die dafür verantwortlich waren, die Garderobe der Königin für die diversen Anlässe zusammenzustellen – Kleider, Kopfputz, Juwelen, Schuhe und Umhänge. Falls nötig, musste etwas ausgebessert oder gereinigt werden, außerdem beschäftigten wir uns an den meisten Tagen damit, neue Gewänder mit schmückenden Stickereien zu verzieren. Ich war ebenfalls anwesend, wenn die Königin sich mit den Schneidern beriet und sowohl die eigenen Kleider entwarf als auch für Feste und Staatsakte die dazu passende Livree für ihre Bedienten. Darüber hinaus kümmerten wir uns ganz allgemein um die Königin, brachten ihr kleine Erfrischungen, begleiteten sie zur Kapelle, gingen mit ihr spazieren, sofern es ihre Kräfte erlaubten, und lasen ihr gelegentlich auch vor, wenn sie sich unwohl fühlte. Die Pflichten waren weder mühevoll noch im Entferntesten so anspruchsvoll wie die, einen eigenen Hausstand zu führen. In Wahrheit langweilte ich mich, was mein Elend nur noch verstärkte.
    Es war mir gestattet worden, Melisende mit an den Hof zu bringen, und so oft es irgend ging, flüchtete ich mich zu ihr in die Stallungen. Ich träumte von einer Zeit, da sie wieder in meinem eigenen Stall stehen würde. Allerdings hatte ich das Gefühl, als würde dieses Leben immer weiter in
die Vergangenheit zurückweichen, während die Zukunft in einem trüben Grau erschien. Selbst mein Titel als ›Dame‹ Alice wurde mir genommen, da die Königin Frauen meines Standes nur mit ›Mistress‹ anzureden pflegte.
    Überfordert von den Eigentümlichkeiten des Hofs, verstört von seinen Ritualen und im Unklaren darüber, was von mir erwartet wurde, unterliefen mir Fehler, und ich ging mitunter zu weit.
    Eines Tages vergaß ich meine angestammte Rolle, als Queen Philippa mich nach meiner Meinung zu Stoffen fragte, die vor ihr in ihrem Schlafgemach auf dem Bett ausgebreitet lagen. Goldene Stoffe, prächtig gefärbte Wolle und Seide mit komplizierten Mustern … eine solch kostbare Auswahl hatte ich zwar noch nie zuvor auf einem Fleck gesehen, doch das Gewerbe war mir nur allzu vertraut. Mit Tuch kannte ich mich aus. Ich fragte, welche Art von Gewänder sie im Sinne hatte, für welche Gelegenheiten, und machte dann meine Vorschläge.
    Zu spät bemerkte ich die verräterischen Laute, die zum Ausdruck brachten, wie bestürzt die Adelsfrauen über meine dreiste Einmischung waren.
    Auch der Königin war das Getuschel nicht entgangen. Sie wandte sich ihnen zu und verkündete: »Hört nur Mistress Alice zu und lernt daraus, Ihr alle. Sie ist genau die Hilfe, die ich mir erhofft habe.«
    Von diesem Moment an waren die Frauen meine erklärten Feindinnen.
    Sie saßen auf der einen Seite der weiträumigen Nähstube und zupften müßig an ihren Handarbeiten herum, während sie tratschten und ihr edler Kopfputz vor unterdrückter Belustigung oder Empörung bebte, wenn sie sich erst dicht

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