Die Verwandlung - Blutsbande 1
mutig gewesen wäre, durch das Haupttor einzutreten, ließ ich es bleiben, schließlich war ich noch nie sonderlich mutig gewesen. Außerdem schien es keine gute Idee zu sein, unbewaffnet auf den Eingang des schwer bewachten Schlosses zuzugehen und höflich um Einlass zu bitten.
Ich tastete nach meiner Hosentasche, wo ich unter meinem Hemdsaum einen Pflock versteckt hielt. Ich wusste noch nicht einmal, ob meine körperliche Kraft ausreichen würde, ihn gegen einen anderen Vampir einzusetzen, geschweige denn gegen Cyrus. Aber zumindest hatte ich etwas, was ich gegen die Wachen einsetzen konnte, sollten sie mir zu nahe kommen.
Ich ging auf dem Bürgersteig bis zur nächsten Ecke. Der Eingang zum Wachhäuschen war so weit vom eigentlichen Haus entfernt, dass man annehmen konnte, es handele sich um ein anderes Grundstück. Ich kam an der Pforte vorbei, wo ich mich mit Nathan getroffen hatte, um die Flucht von Ziggy zu planen. Ich musste an Nathan denken, der immer noch in seinem Bett lag und schlief.
Es schien so, als müsste ich nur hinauf in mein altes Zimmer gehen, und Ziggy würde dort oben auf mich warten, wie er es all die Wochen zuvor getan hatte. Ich ließ meinen Blick über den Rasen gleiten. In meinem alten Zimmer schien Licht. Ich merkte plötzlich, dass ich eifersüchtig war. Auf wen, wusste ich nicht, nur, dass ich ersetzt worden war.
Eine schlanke Figur kam vorsichtig den Rasen hinunter und bewegte sich in Richtung Labyrinth. Ich erkannte das Profil.
„Clarence?“, rief ich. Meine Stimme hallte durch die kühle Nacht und ich hielt die Luft an.
Er blinzelte, dann erkannte er mich und richtete sich auf. „Doc?“
Mir schlug das Herz bis zum Hals, als ich den alten Mann über das Gras laufen sah. Das Letzte, was ich wollte, war, dass er beim Laufen stürzte und sich die Hüfte brach. „Seien Sie vorsichtig!“
„Seien Sie vorsichtig!“, äffte er mich nach. „Sie sind ja irre, dass Sie noch einmal hierher zurückkommen! Sie haben erzählt, Sie seien tot!“
Aus der Tasche seiner ordentlich gebügelten Hose zog er einen großen Schlüsselring mit alten Schlüsseln. Nach viel Hin und Her fand er den richtigen Schlüssel und steckte ihn ins Schloss der Pforte. Sie zerfiel nicht zu Staub, sondern schwang fast ohne eine Quietschen nach innen. Von dem Efeu wurden ein paar Blätter abgerissen, aber niemandem wäre es aufgefallen, dass das Tor nach Jahrhunderten zum ersten Mal wieder bewegt worden war.
„Schwingen Sie Ihren Arsch hier herein“, raunte er mir zu und sah dabei nervös zum Haus hin. „Nun, jetzt müssen Sie mir aber einiges erklären. Haben Sie den Jungen ausgesaugt?“
„Was? Nein!“, rief ich, ein wenig zu laut.
Clarence brachte mich zum Schweigen. „Sprechen Sie leise. Der Meister ist zu Hause, und seitdem sein Vater weg ist, hat er wirklich schlechte Laune.“
„Ich dachte, der Souleater kann nicht überleben, wenn er nicht einmal im Jahr etwas zu sich nimmt?“
„Nichts und niemand wird diesen Kerl umbringen können. Glauben Sie mir, das war nicht das erste Mal, dass es jemand versucht hat.“ Clarence schüttelte den Kopf. „Was ist mit dem Jungen geschehen?“
„Cyrus hat ihn getötet.“ Ich musste an die Fässer im Keller denken und daran, was Clarence mir erzählt hatte. „Was haben Sie mit ihm gemacht?“
„Ich habe gar nichts mit ihm gemacht. Ich hatte an dem Abend frei. Wahrscheinlich haben sie ihn verbrannt wie alle anderen auch.“
Wenigstens war er nicht in ein Fass eingepfercht worden. Ich deutete auf das Haus. „Wo ist Cyrus?“
„Im Arbeitszimmer. Seit der Feier verlässt er es nicht mehr, um zu vermeiden, sie treffen zu müssen.“ Der letzte Satz klang wie ein Vorwurf.
„Sie? Dahlia hat überlebt?“
Clarence verzog überrascht sein Gesicht, es sah fast komisch aus. Er wirkte angewidert. „Wie es scheint, hat ihr jemand gesagt, sie solle sich auf der Party einen Vampir suchen, der sie verwandelt.“
Ich knirschte mit den Zähnen. Es war eine Sache, mit Cyrus zu kämpfen, aber Dahlia spielte in einer noch ganz anderen Liga. „Was ist mit den Posten?“
„Sie versuchen, Dahlia und dem Master aus dem Weg zu gehen. Aber sie werden Sie finden, wenn Sie versuchen, hineinzugehen.“ Er kniff die Augen zu und sah mich an. „Sie kommen doch mit Verstärkung, oder?“
„Nein. Genauso gut kann ich mich hier direkt auf der Wiese mit einem Pflock selbst umbringen“, murmelte ich und sah die drohende Fassade des Hauses hinauf.
„Ich habe einen
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