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Die Verwandlung der Mary Ward - Roman

Die Verwandlung der Mary Ward - Roman

Titel: Die Verwandlung der Mary Ward - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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wie sie werden. Ich werde mir eine Rüstung anlegen und vor nichts auf der Welt Angst haben. Auf diese Art und Weise werde ich andere vor Schaden bewahren. Ich werde Lindsey beschützen, die in ihr Erdkundebuch als Eigentümerin »Mrs. Ranulf Morrit« geschrieben hat, und ich werde Pearl beschützen, die sich weigert, schwimmen zu lernen, und schon im Teich von Swaithey ertrinken könnte, und ganz besonders werde ich Estelle beschützen: vor Sonnys Wutanfällen, vor ihrer eigenen Vergeßlichkeit und davor, nach Mountview zurückgeschickt zu werden.
    Marys richtig großer, schwieriger Trick hieß »Der unglaubliche Schwertkasten«. Nachdem sie Timmy mit Smarties bestochen hatte, war dieser bereit, ihr Assistent zu sein. Sie schrieb an den Magischen Zirkel in London und fragte an, wo und wie sie an zehn Schwerter kommen könne. Die Antwort lautete: »Lieber Martin Ward, es ist uns immer eine große Freude, von angehenden Zauberkünstlern zu hören«, doch was die Schwerter anging, waren sie wenig hilfreich. Sie schrieben: »Requisiten dieser Art sind sehr teuer. Wir raten Dir daher, daß Du Deine Freunde einlädst, Dir beim Anfertigen von Schwertern aus Pappmaché zu helfen, die täuschend echt wirken können.«
    Sie wollte aber keine Pappmachéschwerter. Ihr Trick sollte mit wirklicher Gefahr verbunden sein, so daß ihr Publikum zunächst erschrak und dann sprachlos vor Erleichterung war. Ohne Gefahr gab es auch keine richtige Angst.
    Sie schrieb an Cord, der nach Gresham Tears zurückgekehrt war. Dieser antwortete: »Ich muß schon sagen, Martin, Schwerter, das ist ganz schön viel verlangt. Es sind nicht mehr viele im Gebrauch, weißt Du, seit dem Fehlschlag mit der leichten Kavallerie im Krimkrieg. Aber ich habe eine Idee: Degen! Gibt es einen Fechtverein in Deiner Schule? Ich habe als Junge gefochten. Schärft den Blick und den Verstand.«
    Doch in der Weston Grammar School gab es keinen Fechtunterricht. Miss Gaul, von Mary um Rat gefragt, schlug den Kostümfundus des Maddermarket Theaters in Norwich vor. Sie hatte eine Freundin, die dort in ihrer Freizeit arbeitete. Diese hieß Miss Lyle. Miss Lyle schrieb: »Liebe Marty, was für eine faszinierende Anfrage! Doch leider sind wir eine Laiengruppe, und es steht mir nicht zu, Maddermarket-Eigentum auszuleihen.«
    Mary stellte aus Pappe ihren Kasten her. Sie brachte die Löcher für das Eindringen und Austreten der Schwerter an. Anschließend steckte sie Timmy in den Kasten und fütterte ihn durch die Löcher mit Smarties. Black riet: »Stellen Sie mit Hilfe von Ruten die genaue Bahn eines jeden Schwertes fest.« Mary schraubte die Eisenstäbe vom Kopf- und Fußende ihres Bettes ab und übte damit.
    Um Timmy dazu zu bringen, sich in der empfohlenen Stellung absolut still hinzukauern, spielte sie ein Spiel mit ihm. Sie sagte: »Durch das Loch kommt entweder ein Smarty oder eine Eisenstange. Du darfst dich nicht bewegen. Ich merke es, wenn du auch nur mit der Wimper zuckst. Dann kommen keine Smarties mehr, sondern nur noch Stangen, und du wirst eingeschlossen.«
    Der Gedanke, daß Timmy im Kasten wartete und auf Smarties hoffte, bei einem winzigen Lichtschimmer und ohne Fluchtmöglichkeit, sobald die ersten fünf Stangen drin waren, gefiel ihr überaus gut. Wenn sie den Trick später mit den richtigen Schwertern vorführen würde, sollte er in seinem süßesten Sopran singen, damit die Zuschauer wußten,daß er noch drinnen war, und dann, wenn das erste Schwert eindrang, würde das Singen aufhören, und jeder würde Angst haben.
    Es war ein kalter, windiger Sommer. Als die Ferien näher rückten, begann Mary, Lindsey anzulügen. Sie erzählte ihr, daß sie auf ihrem Hof ein Pony zum Reiten habe. Diese sagte: »Großartig!«
    Lindsey zeigte ihr ein paar der Briefe von Ranulf Morrit. Seine Eltern wohnten auf einem Landgut. Durch ihren Garten ging ein Forellenbach. Und sie hatten eine spanische Köchin namens Ramona.
    Mary sagte: »Er gibt ganz schön an, nicht wahr?«
    Im Juni wurde es dann abgemacht: Lindsey würde in der ersten Ferienwoche für vier Tage zu ihnen kommen. Sie freute sich schon auf das Reiten. Und sie war auf Marys »großen, schwierigen Trick« gespannt.
    Ebenfalls im Juni begann Estelle, Sonny zu bitten, einen Fernseher anzumieten. Sie sagte, sie seien kein Luxus mehr. »Wir haben jetzt fast 1960, Sonny.« Doch er weigerte sich. Er erklärte, sie könnten es sich nicht leisten, doch das war nicht der eigentliche Grund. Er hielt Fernsehen für etwas,

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