Die Verwandlung
Angst. Ich hatte alles unter Kontrolle, war Herrin über die Nacht, den Wind und den Wagen. Den Kopf in den Nacken gelegt, brach ich in ein lautes, heulendes Gelächter aus.
Eine panische Megan kreischte: » Emily! Was machst du? «
Sie klang sonst nie panisch. Jetzt war sie außer sich vor Angst, und ich liebte es.
Der Wagen schlingerte, als Megan einen Moment lang die Kontrolle über ihn verlor. Ich bewegte mich wie eine Surferin beim Wellenreiten und jauchzte vor Vergnügen. Wir rasten an dem bewaldeten Park in der Nähe meines Hauses vorbei. Das Auto wurde langsamer, also spannte ich die Beinmuskeln an, wartete auf den richtigen Moment– und sprang.
Der Wagen kam abrupt zum Stehen, und die Reifen quietschten dabei wie das arme kleine Schweinchen, dessen Haus nicht stabil genug war, um dem großen bösen Wolf standzuhalten, der es wegpustete.
Die Fahrertür flog auf, Megan sprang heraus und rannte die Straße zurück, während ihre erschreckten Gesichtszüge von den Rücklichtern in rotes Licht getaucht wurden. Sie schrie: » Emily! EMILY ! «
Ich hing an einem Ast in ungefähr viereinhalb Meter Höhe und lachte. » Ich habe dich erschreckt, was? «
Auf der dunklen, leeren Straße hielt Megan unter mir. Ihr Auto, das sie hinter sich zurückgelassen hatte, grunzte und zeterte wie ein verwirrter alter Mann. Sie starrte zu mir hinauf und versuchte, etwas von sich zu geben.
Ich schaute von meinem Ast auf sie herab, als wäre das gar nichts. Dann begann ich zu reden. Darüber, was für eine Schlampe sie wäre, dass sie mich angelogen hätte und dass sie bekommen hätte, was sie verdiente– als mich plötzlich ein seltsames Gefühl überkam. Es war, als würde etwas, das ich nicht sehen konnte, genau vor mir schweben und mich mit Augen anvisieren, die ich ebenfalls nicht sehen konnte. Genau wie in dem dunklen Garten, den ich als Abkürzung benutzt hatte.
Und dann tat sich etwas in meinem Inneren. Urplötzlich merkte ich, dass ich fror, dass alles verschwommen geworden war und dass ich, ich weiß nicht wie viele Millionen gefühlte Kilometer über der Straße hing, nachdem ich aus einem fahrenden Auto gesprungen war. Als mir das klar wurde, bekam ich es mit der Angst zu tun, mit einer Furcht, die sich über mich legte, weil nichts von alldem einen Sinn ergab.
» Oh,… was? « , flüsterte ich. Mein Körper war viel zu schwer, um mich länger halten zu können, und meine Finger gaben nach. Die Rinde des dicken Astes scheuerte meine Handflächen auf, als ich kreischend absackte und fiel. Ich landete halb auf Megan, halb auf dem Asphalt, während der Absatz meines linken Stiefels abbrach und mich zu Boden gehen ließ. Ich korrigiere: der Absatz von Dawns Stiefel. Das war nicht gut. Nein, nichts war gut. Alles, was ich gerade angestellt hatte, alles, was ich gesagt und getan hatte, traf mich wie ein Bumerang. Zitternd stand ich auf und lugte zu Megan herüber. Trotz des blutroten Scheins der Bremsbeleuchtung und der verschwommenen Sichtweise, die ich ohne Brille hatte, konnte ich die Mischung aus Wut, Verwirrung und verletzter Gefühle in ihrem Gesicht erkennen. » Ich, ich weiß nicht, was… « Ich schlang mir die Arme um die Brust und flüsterte: » Ich muss nach Hause. «
» Ja « , sagte sie und legte ihren Arm um mich, um mir zu helfen, zu ihrem Wagen zurückzuhumpeln. » Ja, das musst du wirklich. «
6
Em Cee und Em Dub
Der Rest der Nacht war mehr oder weniger verschwommen– im wahrsten Sinne des Wortes, da ich ohne Brille dastand.
Megan fuhr mich nach Hause, wo sie darauf bestand, mich bis zur Haustür zu begleiten. Ich schaffte es, mich an meinem Dad vorbeizuschmuggeln, der mich nur aus dem Augenwinkel sah und als » Dawn « begrüßte. Ich krabbelte die Treppe hinauf, ging in mein Zimmer und verkroch mich unter der Bettdecke. Die ganze Zeit über fühlte ich ein Kribbeln auf der Haut, als stünden mir sämtliche Haare zu Berge und versuchten, sich loszumachen. Meine Finger- und Zehennägel pochten vor Schmerzen, wie sie es tun, wenn man sie tags zuvor in der Tür eingeklemmt hat. Massive Kopfschmerzen hämmerten gegen meine Schläfen. Zählt man außerdem noch den starken und grundlosen Schmerz in meinen stechenden Handflächen dazu, ist es ein Wunder, dass ich es schaffte einzuschlafen. Doch das tat ich. Ich fühlte mich, als hätte ich an einem ganztägigen Marathon teilgenommen, und selbst die damit einhergehenden Gelenkschmerzen konnten meinen erschöpften Körper nicht davon abhalten, das
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