Die Verwandlung
mehr. Carver Senior High. Das Zuhause des Carver-Cougar-Footballteams und all der hübschen wichtigen Menschen, vor denen ich letzte Nacht ein heilloses Spektakel um meine Person abgezogen hatte. Ich hatte die Wahl: Ich konnte eine Krankheit vortäuschen, den ganzen Tag über zu Hause bleiben und in mein Zimmer eingesperrt nichts weiter zu tun haben, als über letzte Nacht nachzugrübeln, oder ich konnte zur Schule gehen und den Zorn der gesamten Elftklässler über mich ergehen lassen. Okay, vielleicht könnte man mich jetzt für noch verrückter halten, als das ohnehin schon der Fall ist, aber ich entschied mich für die Schule. Denn Fakt ist, dass mir zum ersten Mal in meinem Leben der Gedanke daran, in einem mit Büchern, Comics und Filmen über seltsame, übernatürliche Vorkommnisse gefüllten Zimmer eingesperrt zu sein, nicht als besonders reizvoll erschien. Ausnahmsweise bevorzugte ich tatsächlich die normale, langweilige Realität. Abgesehen davon war ich wieder die brillentragende, ungeschminkte, in einem Kapuzenshirt steckende Emily Webb. Vielleicht würde mich so niemand wiedererkennen. Richtig. Ich war schon halb die Treppe hinuntergegangen, als die Haustür zugeschlagen wurde und ich die Schritte meines Vaters hörte.
Er rief: » Emily? Emily! «
Verwirrt spähte ich die Treppe hinunter und winkte ihm zu. » Ja? « , fragte ich.
Mit erleichtertem Gesichtsausdruck legte er sich die Hand auf die Brust. Er trug eine Schlafanzughose, Turnschuhe und seine ausgebleichte Lederjacke. Seine Brille saß wie immer schief. War er etwa draußen gewesen? Bevor ich reagieren konnte, wurde die Tür noch weiter geöffnet, und Dawn stürzte herein, noch immer in ihren Sachen von letzter Nacht und gefolgt von meiner Stiefmutter.
Da dämmerte es mir plötzlich– ich hatte Dawn letzte Nacht hängen lassen. Ich hatte schon vermutet, dass ich mit ihr auch keinen Kontakt mehr aufgenommen hatte, bevor ich ins Bett gegangen war. Mir stieg die Schamröte ins Gesicht.
» Emily! « , rief Dawn, als sie mich sah. Sie stürmte die Stufen hinauf, um mir um den Hals zu fallen. » O Mann, ich hatte solche Angst. Gott sei Dank geht es dir gut. «
» Es tut mir leid « , flüsterte ich. » Ich glaube, ich war ein bisschen angetrunken und habe nicht nachgedacht… « Ich konnte nicht weiterreden, weil in diesem Moment mein Dad und meine Stiefmutter endlich bei mir angekommen waren und mich ebenfalls umarmten.
» Ich habe mir so schreckliche Sorgen um dich gemacht, Leelee « , sagte mein Dad. Ich konnte seiner Stimme anhören, dass er die Wahrheit sagte. Mein armer Dad! So etwas hatte ich noch nie zuvor getan. Wie musste er sich gefühlt haben…
» Tut mir leid, Dad « , erwiderte ich mit gedämpfter Stimme.
» Du hast dir einen Haufen Ärger eingehandelt, junge Dame « , meinte er. » Aber ich bin froh, dich zu sehen. «
Meine Stiefmutter machte sich los. Ihre Brille war von Tränen benetzt. Ich hatte einen Knoten im Hals. Meine Stiefmutter war eine so nette Frau, und ich war losgezogen, um sie zum Weinen zu bringen. » Es tut mir leid, Katherine « , flüsterte ich ihr zu.
Sie schniefte und nahm die Brille ab, um sich die Augen zu reiben. » Wir hörten, dass auf diesen Jungen geschossen worden war und hatten dieses schreckliche Gefühl « , sagte sie. » Ich hatte solche Angst, dass, wer immer so was tut… « Sie schluchzte, und mein Vater ließ mich los, um sie in den Arm zu nehmen.
Einen Augenblick lang dachte ich, sie hätte sich geirrt, was das Geschlecht von Emily Cooke betraf. Dann erinnerte ich mich an ein weiteres Detail des verschwommenen Abends: das Knallen, das schreiende Mädchen.
» Es wurde auf einen Jungen geschossen? Auf wen? «
Dawn schüttelte den Kopf. » Ich weiß nicht, wie er heißt. Jemand von der Party. Ein Mädchen lief schreiend die Straße entlang, nachdem du weggelaufen warst, und meinte, wir müssten die Notrufnummer anrufen… «
Mir stockte der Atem. Ich hatte drei Jungen gesehen, die die Party unmittelbar vor mir verlassen hatten, aber nur einer von ihnen war in Gesellschaft eines Mädchens gewesen. Zitternd rannte ich ins Wohnzimmer. Ich fingerte an der Fernbedienung herum und schaltete den Fernseher ein.
» …Und nun schalten wir zu Nancy Smith herüber, die sich vor Ort an der Carver-Senior-Highschool in Fairview befindet, wo ein weiterer sechzehnjähriger Student einem unbekannten Angreifer zum Opfer gefallen ist. «
Ich konnte spüren, wie sich meine Familie wortlos hinter mir
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