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Die Verwandlung

Die Verwandlung

Titel: Die Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Sampson
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geborgt hatte, in Ordnung. Sie würde es wahrscheinlich bald bemerken, wenn noch mehr von ihren Sachen verschwanden.
    In meinem Zimmer schien sich alles an seinem Platz zu befinden, mit Ausnahme der Gardinen, die ich offen gelassen hatte, was ich sonst nicht tue. Zweiter Stock oder nicht, ich wollte nicht, dass mich jemand beobachten konnte. Plötzlich wurde mir klar, dass ich keine Ahnung hatte, wann und wie ich gestern Nacht in mein Zimmer gelangt war. Mir fiel die Sache mit mir und Dalton in Mickey Harris’ Küche ein, und ich entsann mich dunkel, dass ich in den Wald gerannt und mir schlecht geworden war und… » Schule « , murmelte ich. » O Mann, heute ist ein Schultag. « Die Uhr stand auf 7 . 43 Uhr, und Megan sollte mich in fünfzehn Minuten abholen. Leicht schwankend schaffte ich es über den Flur ins Badezimmer. Ich musste urplötzlich ganz dringend auf die Toilette. Dann hatte ich auch noch immer diesen grausamen Geschmack im Mund und brauchte außerdem unbedingt ein Aspirin, Ibuprofen oder Ähnliches gegen meine Kopfschmerzen. Als Erstes schluckte ich die Tablette hinunter, dann bückte ich mich und trank das Wasser direkt vom Wasserhahn. Meine beiden anderen Probleme löste ich notdürftig, indem ich mir die Zähne putzte, während ich auf der Toilette saß. Währenddessen schleuderte ich noch die Hose weg. Es hatte keinen Sinn, sie länger anzubehalten. Als ich fertig war, spülte ich, stand auf und spuckte die schaumige Zahnpasta ins Waschbecken. Es hatte nichts geholfen. In meiner Mundhöhle schmeckte es immer noch nach Tod. Als ich vor dem Waschbecken stand und im Spiegel in meine übernächtigten, rot umrandeten Augen schielte, kam die Erinnerung zurück. Ich dachte an Dalton, Nikkis wütendes Gesicht, die Gewaltandrohungen der Drillinge, das Wegschubsen von Mikey Harris, die Jagd nach Patricks Duft und… die Verwandlung. Ich erinnerte mich an die Verwandlung. » Auf keinen Fall « , flüsterte ich und wandte mich von meinem abschreckenden Spiegelbild ab. Die Verrückte Emily hatte etwas Böses getan. Etwas äußerst Böses. Mädchen wie ich gingen nicht auf Partys und machten solchen Szenen, legten sich nicht mit den ungekrönten Häuptern der Highschool an und schubsten keine der von ihnen verehrten Anführer. Und ganz sicher versuchten sie nicht, einem anderen Mädchen den Freund auszuspannen. Das war ausschließlich Darstellern aus mitternächtlichen Seifenopern vorbehalten. Ja, zum Teufel, denen von tagsüber laufenden Seifenopern auch. Aber worum ging es hier eigentlich überhaupt? Was sollte die irre Jungs-Besessenheit meines Alter Ego? Dalton übers Gesicht zu lecken, dem Duft eines anderen zu folgen– und dann noch das? Dieser endlose, unwiderstehliche Drang, Jungen zu beschnüffeln? Es war, als hätte ich mich jede Nacht in ein selbstbewusstes, supertolles Mädchen verwandelt, doch anstatt eine Superheldin oder Ähnliches zu sein verschwendete ich meine gesamte Zeit damit, einen Jungen zu finden, über den ich herfallen konnte. Was sagte das über mich aus? Die ganze Zeit über hatte ich mich in mein Zimmer verkrochen, Bücher gelesen und meine, ähm, weiblichen Attribute versteckt, damit mich niemand angaffte. In der Schule tat ich mich auch nicht besonders hervor, also sehen wir den Tatsachen ins Auge: Ich hatte keine Ahnung, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Ich meine, ich schwelgte in Fantasien darüber, wer ich gerne wäre – nicht, was meine Karriere angeht, sondern eher meine Vorstellung von einer Frau, die jeder Situation mit Stärke, Selbstvertrauen und absoluter Gelassenheit begegnete– doch vor den letzten paar Nächten waren dies lediglich sehnsüchtige Traumbilder gewesen. Andere Mädchen fantasierten davon, etwas tatsächlich Erreichbares zu sein, wie Anwälte, Ärzte, Künstler oder Models. Zum Teufel, sogar der Wunsch, erwachsen zu werden und ein Kind zu bekommen, war ein Ziel. Doch obwohl ich nicht einmal wusste, wer ich war und was ich werden wollte, wäre mir nie eingefallen, dass der wahre Grund, weshalb ich so wie die coolen Mädchen im Fernsehen sein wollte, der war, dass ich… einen Freund wollte. Das ergab auch gar keinen Sinn, weil das wohl kaum jemals mein Lebensziel gewesen war– und, abgesehen davon, wie erbärmlich war das? Nicht der Part mit dem Verabreden– der war in Ordnung–, sondern eher die Vermutung, dass tief in mir drinnen ein dunkler und unterbewusster Teil offensichtlich ausschließlich dieses Ziel verfolgte. Putz dich heraus, um

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