Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
alle Maßnahmen von Erziehungspersonen zuwider, wenn diese für ein Kind handeln, ob in Konfliktsituationen oder beim Zurechtfinden in der alltäglichen Lebenspraxis. Wird dieser Grundsatz beherzigt, entfällt auch das Schreiben einer Entschuldigung, wenn sich Sohn oder Tochter kurz vor dem Zubettgehen ›plötzlich‹ daran erinnern, die Mathe-Hausaufgaben noch nicht erledigt zu haben. Rückenstärkend im eigentlichen Sinne wäre es, dem Fachlehrer den wirklichen Hergang mitzuteilen. Dann müsste der Nachwuchs zu seiner Bummeligkeit stehen und die Lehrkraft könnte überprüfen, ob vielleicht fehlendes Be greifen der tiefere Grund für die nicht erbrachte Leistung ist.
Wer häufig für ein Kind handelt, es zu lange füttert, anzieht, ihm die Spielutensilien wegräumt, bei Konflikten sofort Partei für das eigene Kind ergreift, für die Folgen von Missgeschick, Fehlverhalten oder Streit stellvertretend eintritt, sollte möglichst früh nach einem Menschen Ausschau halten, der diesen Job zukünftig, spätestens nach dem eigenen Ableben, übernimmt. Wer Anstrengungen oder negative Konsequenzen zu vereiteln sucht, schützt nicht, sondern macht in Wirklichkeit schutzlos.
»Übung macht den Meister«, so der Volksmund. »Ohne Fleiß kein Preis«, weiß jeder im Bereich des Sports. Wenn das Hauptaugenmerk in der Kindererziehung auf eine Reduzierung von Risiken gelegt wird, werden Stolperstellen und Gefahrenpunkte außerhalb des häuslichen Lebensraumes wirklich zur Gefahr.
Nur die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Anforderungen führt zu wichtigen Erfahrungen, macht stark. Wer das erlernen will, wird nicht die Zeit in wohlig-warmen Kuschelecken vertun. Herumtrödeln und Verharren sind Ausdruck einer Müdigkeit dem Leben gegenüber. Elan und Mut brauchen zum Wachsen kraftvolle Vorbilder und herausfordernde Situationen. Kinder, die mit einem Jahr schon recht selbstständig – ohne anschließendes Großreinemachen – mit dem Löffel essen bzw. aus einer Tasse trinken können oder ein paar Wochen später den Kinderstuhl ohne Blessuren erklimmen, fallen nicht vom Himmel, sondern sind das Resultat vieler ganz irdischer Übungssituationen.
Subtil und variationsreich sind die eingesetzten Verhinderungsstrategien beim Heranwachsen von Kindern, meist aus Angst oder fehlender Zeit eingesetzt. Mannigfaltig und ermutigend sollten daher die Rahmenbedingungen und Hilfestellungen sein, sich dem Wagnis des Lebens immer neu zu stellen. Denn: Zu enge Grenzen töten!
Unangemessenes Agieren
Die dreijährige Lisa schaut interessiert bei den letzten Handgriffen beim Aufbau des Büfetts zu. »Du hast sicher einen so großen Hunger, dass du nicht mehr warten kannst, bis wir alle was zu essen bekommen. Hier, nimm schon mal ein Stück Wurst.« Lisa nimmt, ohne sich vorher besonders hungrig gezeigt zu haben, die Wurst, welche die Mutter von einem Schnittchen einer fertig angerichteten Platte genommen hat. Etwa zehn Minuten später wird offiziell mit dem Abendessen begonnen. – Am Rande einer Tagung psychologischer Berater, zu der ein Vater seinen ca. fünfjährigen Sohn mitgenommen hat, innerhalb eines festlichen Abendessens: »Ich glaube, du hast dir zu viel Nudeln auf den Teller geladen. Die brauchst du nicht alle zu essen. Wir können den Rest weggeben.« Das Kind selbst hat sich zur Menge des Essens nicht geäußert, es ist auch nur noch ein kleiner Rest. Anschließend geht der Vater mit dem Filius zur Nachspeisen-Anrichte und fragt, was er denn davon haben will. – Eine Mutter beim Beobachten der Hausaufgaben ihres Neunjährigen: »Ich sehe, dass dir das Abschreiben des Lesebuchtextes sehr schwerfällt. Du brauchst dich nicht weiter so anzustrengen; ich schreibe deiner Lehrerin ins Heft, dass es dich überfordert.« Freudig werden die Schulsachen zusammengepackt und raus geht es zum Bolzplatz um die Ecke. – Ein Vater beim Einkauf im Supermarkt kurz vor der Kasse zur kleinen Tochter: »Du möchtest doch sicher ein Überraschungs-Ei. Bevor du wieder herumquengelst, geh und hol dir eins.« – »Weshalb soll unser Enkelkind denn Früchtetee oder Apfelschorle trinken, wo es doch ein Lieblingsgetränk gibt.« Der Großvater zum Kellner: »Bringen Sie unserem Kleinen eine große Cola!«
In allen Fällen haben die Kinder keine offensichtlichen Anhaltspunkte für ein solches Agieren von sich gegeben. Selbst wenn mir als Beobachter entsprechende Anzeichen verborgen geblieben wären, keinesfalls würden solche Verhaltensweisen zu
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