Die vierte Hand
Bootshauses hinunter; die Treppe war offen, was im nächsten Sommer eine Gefahr für den kleinen Otto darstellen würde. Otto senior hatte vorgehabt, die Treppe zu verkleiden. »Er ist bloß nicht mehr dazu gekommen«, meinte Mrs. Clausen. Zwischen den beiden im Bootshaus vertäuten Booten, dem Motorboot der Familie und einem kleineren Außenborder, verliefen eine Laufplanke und ein schmaler Steg. Am offenen Ende des Bootshauses führte von dem schmalen Steg aus eine Leiter ins Wasser. Wer würde im Inneren des Bootshauses in den See steigen oder herausklettern? Aber Patrick sagte nichts von der Leiter, weil Mrs. Clausen auf dem großen Steg im Freien bereits alles für das Baby vorbereitete.
Sie hatte ein paar Spielzeuge und einen Quilt von der Größe einer Picknickdecke mitgebracht. Das Kind krabbelte nicht so lebhaft herum, wie Wallingford erwartet hatte. Otto junior konnte sich selbst aufsetzen, schien dann aber zu vergessen, wo er war, und fiel seitlich um. Mit seinen acht Monaten konnte er sich bereits hochziehen - falls ein niedriger Tisch oder sonst ein stabiler Gegenstand verfügbar war, an dem er sich festhalten konnte. Aber er vergaß oft, daß er stand; dann setzte er sich unvermittelt hin oder purzelte seitlich zu Boden.
Und er kroch meistens rückwärts - rückwärts bewegte er sich müheloser als vorwärts. Wenn er von ein paar interessanten Gegenständen umgeben war, die er anfassen und betrachten konnte, blieb er ganz zufrieden auf einem Fleck sitzen - aber nicht mehr lange, wie Doris betonte. »In ein paar Wochen können wir mit ihm nicht mehr auf einem Landesteg sitzen. Dann wird er auf allen vieren unterwegs sein, und zwar ständig.« Im Augenblick trug das Kind wegen der Sonne ein langärmeliges Hemd, eine lange Hose und eine Mütze - außerdem eine Sonnenbrille, die es sich nicht so häufig vom Gesicht zog, wie Patrick vermutet hätte. »Geh du schwimmen. Ich passe auf ihn auf. Dann kannst du auf ihn aufpassen, und ich schwimme«, sagte Mrs. Clausen zu Wallingford. Patrick beeindruckte die schiere Menge von Babyutensilien, die Mrs. Clausen für das Wochenende mitgebracht hatte; ebenso beeindruckt war er davon, wie gelassen und mühelos sich Doris auf das Muttersein eingestellt zu haben schien. Aber vielleicht bewirkte die Mutterschaft das bei Frauen, die sich so sehr und so lange ein Kind gewünscht hatten wie Mrs. Clausen. Im Grunde wußte er es nicht.
Das Seewasser fühlte sich kalt an, aber nur beim ersten Eintauchen. Vor dem tiefen Ende des Landestegs war es blaugrau; näher am Ufer nahm es wegen der in ihm gespiegelten Tannen und Mastbaumkiefern einen grüneren Farbton an. Der Grund war sandiger und weniger schlammig, als Patrick erwartet hatte, und es gab einen kleinen Strand mit grobem, von Kieseln durchsetztem Sand, wo Wallingford den kleinen Otto im See badete. Anfangs war der Junge von der Kälte des Wassers geschockt, aber er weinte nicht; er ließ sich von Wallingford im Wasser wiegen, während Mrs. Clausen sie beide fotografierte. (Sie konnte offenbar hervorragend mit einer Kamera umgehen.)
Die Erwachsenen, wie Patrick sich und Doris zu sehen begann, schwammen abwechselnd vom Landesteg aus. Mrs. Clausen war eine gute Schwimmerin. Wallingford erklärte, mit seiner einen Hand sei ihm wohler, wenn er sich einfach nur treiben lasse oder Wasser trete. Gemeinsam trockneten sie den kleinen Otto ab, und Patrick durfte versuchen, den Kleinen anzuziehen - sein erster Versuch. Das Wickeln mußte Doris ihm zeigen.
Gewandt zog sich Mrs. Clausen unter dem Frotteebademantel den Badeanzug aus. Patrick war wegen seiner Einhändigkeit nicht so geschickt darin, sich, in ein Handtuch gehüllt, die Badehose abzustreifen. Schließlich lachte Doris und sagte, sie werde wegschauen, ohne Handtuch gehe es bestimmt besser. (Von dem Voyeur mit dem Fernrohr am anderen Seeufer erzählte sie ihm nichts - noch nicht.)
Gemeinsam trugen sie das Baby und sämtliche Utensilien in die Haupthütte, wo bereits ein Kinderhochstuhl aufgestellt war. Wallingford trank ein Bier - noch immer hatte er nur ein Handtuch an -, während Mrs. Clausen Otto junior fütterte. Sie sagte, sie sollten das Baby füttern, dann sich selbst etwas zu essen machen und noch vor dem Dunkelwerden alles erledigen, was sie in der Haupthütte zu tun hatten. Nach dem Dunkelwerden kämen die Moskitos. Bis dahin müßten sie in der Wohnung über dem Bootshaus sein.
Im Bootshaus gab es kein Bad. Doris erinnerte Wallingford daran, die Toilette in
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