Die vierte Schlinge: Thriller (German Edition)
braun, ebenso wie der akkurat geschnittene kurze Bart. Er war zwar eher schmächtig, trat aber sehr selbstsicher auf.
»Dies ist Ross Kingsley«, stellte ihn Chief Garnett vor. »Er wird in nächster Zeit unser Profiler sein.«
»Ich möchte Ihnen einige Fragen stellen, wenn Sie nichts dagegen haben.« Er schüttelte Diane die Hand.
»Sicher. Chief, bevor wir anfangen, Neva hat ihre Zeichnungen der Opfer von Cobber’s Wood fertiggestellt.«
Sie reichte ihm eine ganze Serie und schaute zu, wie er und Kingsley sie studierten.
»Die sind aber gelungen«, sagte Garnett und warf Neva einen anerkennenden Blick zu.
»Das sind sie«, stimmte Diane zu. »Der Sheriff sollte jetzt eigentlich jemand finden können, der sie gekannt hat.«
Neva stahl sich ganz leise aus dem Zimmer. Heute schien sie noch nichts gegen ihre Angst vor Garnett tun zu wollen.
»Wir haben den Crown Vic wahrscheinlich gefunden. Er war natürlich gestohlen. Ich habe Ihren asiatisch aussehenden Mitarbeiter, wie heißt er noch gleich? – Jin –, gebeten, auch diesen Wagen nach Spuren zu untersuchen.«
»Ich dachte mir schon, dass er gestohlen war«, sagte Diane. »Vielleicht findet Jin ja etwas.«
»Ich lasse Sie beide jetzt allein«, sagte Garnett. »Ich bin im Labor, wenn Sie mich brauchen.«
Diane bot Kingsley einen Stuhl an. Irgendwie fühlte sie sich etwas unbehaglich bei dem Gedanken, dass er sie jetzt befragen würde. So viel über den Mythos ihrer absoluten Furchtlosigkeit.
30
R oss Kingsley ließ den Blick durch das ganze Büro streifen, bevor er sich wieder Diane zuwandte. Diane folgte seinen Blicken.
»Ihr Büro ist sehr spartanisch«, begann er.
Interessante Wortwahl, dachte sie. Karg, kahl, kalt, vielleicht, aber nicht spartanisch – die Sitzgelegenheiten waren dazu viel zu bequem.
»Es ist verhältnismäßig neu«, sagte sie.
»Garnett erzählte mir, Sie hätten eine große Tragödie erlebt, als Sie für eine Menschenrechtsorganisation in Südamerika Untersuchungen durchführten.«
»Ja.«
»Und Sie möchten dort auch nie mehr hin und wollen nie mehr so etwas erleben. Das kann ich verstehen. Womit verbringen Sie Ihre Freizeit?«
»Warum erstellen Sie gerade ein Profil von mir?«
Kingsley rutschte auf dem Stuhl hin und her. »Weil dieser Mann, der sogar der Mörder sein könnte, seine ganze Aufmerksamkeit auf Sie gerichtet hat. Ich möchte wissen, warum, damit ich ihn verstehen kann.«
»Ich bin begeisterte Höhlenforscherin.«
»Höhlenforscherin?«
»Ja.«
»Sie mögen also dunkle Orte.«
»Ich habe immer mindestens drei Lichtquellen dabei.«
Er lachte. »Aber der Höhlensport ist gefährlich.«
»Er kann gefährlich sein.«
»Was mögen Sie daran besonders.«
»Mir gefällt es, Höhlen zu kartieren. Ich liebe es, eine neue Welt zu erforschen. Und ich mag es, am Ende eines Seils zu baumeln.«
Wieder musste er lachen. »Warum, glauben Sie, ist Ihr Büro so ganz ohne persönliche Gegenstände?«
»Weil ich noch keine hineingestellt habe. Ich habe bisher die meiste Zeit in meinen Laboratorien und in meinem anderen Büro verbracht.«
»Ein anderes Büro? Im Polizeigebäude?«
»Wie viel hat Ihnen eigentlich Garnett über mich erzählt?«
»Nicht sehr viel. Sie seien eine forensische Anthropologin, die früher für eine Menschenrechtsorganisation tätig war. Dann haben wir uns die Tonbänder mit den Gesprächen zwischen ihnen und dem Anrufer angehört. Die meiste Zeit habe ich bisher mit dem Studium der Untersuchungsberichte der Tatorte verbracht.«
»Ich habe noch ein Büro im Museum. Dort werden Sie auch persönliche Gegenstände finden, einschließlich eines ziemlich netten Fotos von mir, wie ich am Ende eines Seils baumle.«
»In dem Museum hier im selben Gebäude?«
»Ja. Ich bin dessen Direktorin.«
Er war völlig überrascht. Diane fragte sich, warum sie ihm das nicht erzählt hatten. Vielleicht hatte es Garnett nicht für relevant gehalten. Sie konnte beinahe sehen, wie Kingsley ein völlig neues Profil von ihr erstellte.
»Ich verstehe. Nun, das ist sicherlich interessant. Sie müssen eine vielbeschäftigte Frau sein.«
»Das kann man so sagen.«
»Und da gibt es gar keine kognitive« – er wedelte mit einer Hand in der Luft – »Dissonanz, wenn Sie von einem Job zum andern wechseln?«
»Nein. Tatsächlich passen sie besser zusammen, als man erwarten würde. Ich bin umgeben von Experten der unterschiedlichsten Wissensgebiete – Geologen, Biologen, Entomologen, Archäologen. Manchmal
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