Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
Vom Netzwerk:
schmale Stiege nach unten zu klettern. Dabei verschloss er die Luke wieder hinter sich, so als wäre sie nie geöffnet gewesen.
    Die Treppe führte in einen Laderaum, der bis oben hin mit Fässern, Kisten und Truhen vollgestellt war. Es roch nach Gewürzen und Tabak, offensichtlich befanden sie sich auf dem Segelschiff eines Kolonialwarenhändlers.
    »Sophie!«, flüsterte Augustin in die Dunkelheit hinein. »Sophie, ich bin’s. Bist du hier irgendwo?«
    Er hörte ein Wimmern aus dem hinteren Teil des Raums. Als er dorthin schlich, nahm er hinter einer mächtigen Truhe ein kurzes Huschen wahr. Augustin eilte darauf zu, und sofort fiel ihm Sophie in die Arme.
    »Wer … wer ist das dort draußen?«, keuchte sie. »Warum will dieser Mann dich umbringen?«
    »Vermutlich, weil wir zu viel herumgeschnüffelt haben«, erwiderte Augustin und sah sich verzweifelt nach einem Versteck um, während über ihm die Planken knarrten.
    »Damals in Bologna, vor vielen Jahren, ist mir etwas Ähnliches geschehen«, flüsterte der Anwalt, während er versuchte, eine der großen Truhen zu öffnen. »Ich vertrat vor Gericht einen Silberschmied, bei dem einige der Patrizier hohe Schulden hatten. Es sah ganz danach aus, als würde ich den Fall gewinnen. Da schickten sie mir ihre Schläger hinterher. Die Männer machten mich zum Krüppel.«
    »Und?«, fragte Sophie leise. »Hast du den Fall aufgegeben?«
    »Nein, ich habe weitergemacht. Eine Woche später war das Mädchen, das ich damals liebte, tot. Sie trieb mit einem Dolch im Rücken den Aposa entlang. Ein paar Tage darauf habe ich Bologna für immer verlassen.«
    Sophie hielt sich die Hand vor den Mund. »Mein Gott, das hast du mir nie erzählt!«
    »Es gibt Dinge, die man verschweigt. Man schreit sie höchstens heraus in seinen schlimmsten Träumen. Und jetzt sei still und komm her. Wir müssen uns verstecken, bevor dieser Teufel die Achterluke findet.«
    Augustin hatte in der Zwischenzeit eine der großen Truhen geöffnet und die Gewürzsäcke, die sich darin befunden hatten, zur Seite gestellt. Nun half er Sophie hinein und stieg selbst hinterher. Vorsichtig schloss er den Deckel über ihnen, so dass eine undurchdringliche Schwärze sie umgab.
    Nur wenige Augenblicke später war ein leises Quietschen zu hören. Jemand hatte die Ladeluke geöffnet.
    »Von Küffen, seid Ihr hier?«, knurrte die mittlerweile bekannte Stimme. »Hört endlich auf, Euch zu verstecken. Ich krieg Euch ohnehin. Euch und das Mädchen. Wenn nicht jetzt, dann eben in einer anderen Nacht. Vielleicht im Bett, auf der Straße, in der Kirche – dann, wenn Ihr es am wenigsten erwartet. Also macht es Euch nicht so schwer und kommt endlich aus Eurem Mauseloch gekrochen.«
    Augustin hörte schlurfende Schritte, die durch den Laderaum langsam auf sie zukamen. Sophie krallte sich wie ein ängstliches Tier an ihn. Noch nie waren sie sich so nahe gewesen. Er konnte den Duft ihres Körpers riechen, der sich mit dem intensiven Geruch von Pfeffer, Anis und Muskat vermischte. Schwere Stiefel hallten durch den Gang und blieben schließlich ganz in ihrer Nähe stehen.
    »Das ist doch merkwürdig«, sagte die Stimme mit gespielter Überraschung. »So viele Truhen, alle gut verpackt, alles gut verräumt. Und nur hier herrscht eine schreckliche Unordnung. Ich fürchte, ich muss all diese Säcke wieder in die Truhe packen. Und dafür zwei andere Säcke daraus entfernen.«
    Ein weiteres Quietschen ertönte. Diesmal war es der Truhendeckel direkt über ihnen. Dämmriges Licht fiel durch den größer werdenden Spalt und erhellte ein frettchenhaftes, pockennarbiges Gesicht. Eine Reihe schwarzer Zahnstummel verzog sich zu einem Grinsen.
    »Schau an«, sagte der Fremde. »Was für zwei hübsche Vögelchen. Ich werde …«
    Plötzlich war vom Ende des Ganges ein Rumpeln zu hören, Schritte polterten über die Stiege.
    »Verflucht, was hast du Halunke in meinem Schiff zu suchen?«, brummte von irgendwoher ein tiefer Bass. »Leg die Waffe weg, bevor dich meine Wachen aufspießen und an der Rah aufhängen!«
    Das Frettchen zischte einen leisen Fluch, dann wandte es sich von der Truhe ab und schlug den Deckel zu, so dass augenblicklich wieder Finsternis herrschte. Augustin hörte ein Klirren, einige Kisten fielen zu Boden, plötzlich ertönte ein dumpfer Schlag, dicht gefolgt von einem Stöhnen.
    Schließlich herrschte Stille.
    »Wollen mal sehen, ob sich da noch ein paar Galgenvögel auf mein Schiff geschlichen haben«, murmelte erneut der

Weitere Kostenlose Bücher