Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
Vom Netzwerk:
gerade noch auffangen, und nun saßen sie beide da, während Andreas auf sie herabschaute, als wären seine Augen das Jüngste Gericht.
    »So«, verkündete er hart. »Ich werde nun meine Ehre wiederherstellen und jenen Teufel vernichten, der dich zu diesem Übel verführt hat. Bis dahin kannst du deinem Bastard erklären, was die Erbsünde ist, und über die Form deiner Buße nachdenken, die diesmal heftiger ausfallen wird als jemals zuvor!«
    Dann verriegelte er die Tür zum Keller und verließ polternd das Haus.

    Die ganze Nacht über und den halben Tag hatte Agnes mit ihrer Tochter im Keller gehockt. Bis Stingin gekommen war und sie befreit hatte. Mit der Magd waren zwei Büttel ins Haus gekommen, um Agnes nach dem Tod ihres Gatten zu befragen.
    Völlig versteinert hatte sie mit anhören müssen, wie man Andreas’ Leiche am Rheinufer gefunden hatte. Er hatte ein paar Verletzungen am Kopf gehabt, aber niemand hatte sagen können, wie er dorthin gekommen war und ob die Wunden letztendlich zu seinem Tode geführt hatten. Manche hatten in der darauffolgenden Zeit gemunkelt, er habe sich wie schon öfters betrunken und sei deshalb ohnmächtig ins Wasser gefallen. Wieder andere hatten behauptet, es sei Raubmord gewesen, weil der silberne Kreuzanhänger, den Agnes ihrem Andreas einst geschenkt hatte, spurlos verschwunden blieb.
    Agnes jedoch hatte einen anderen Verdacht gehabt, und dieser hatte sie schaudern lassen: Nicht auszuschließen, dass Richard Charman, den Andreas offenbar in jener unheilvollen Stunde aufgesucht hatte, seinen Tod verschuldete.
    Seitdem war sie dem Engländer aus dem Weg gegangen. Was ihr einigermaßen gut gelungen war, bis er sie einige Tage nach Andreas’ Beerdigung in den geheiligten Räumen des Kölner Doms abgepasst hatte.

    »Warum sprichst du nicht mehr mit mir?«, fragte er sichtlich beleidigt. »Hast du vergessen, dass wir uns die Häuser teilen wollten?«
    »Es tut mir leid«, antwortete sie ehrlich. »Ich kann dich nicht auszahlen. Erstens weiß ich nicht, ob du etwas mit der Sache zu tun hast, und zweitens könnte man uns verdächtigen, gemeinsam den Tod meines Mannes geplant zu haben.«
    »Bist du jetzt vollkommen irrsinnig geworden?«, rief er außer sich vor Bestürzung. »Wie kommst du darauf, dass ich etwas mit dem Tod deines Mannes zu tun haben könnte? Schließlich bist du die Nutznießerin, und ich warte immer noch auf mein Geld!«
    »Er wusste von uns«, erklärte sie mit gedämpfter Stimme. »Und er wollte dich zur Rechenschaft ziehen. Nur deshalb ist er am Abend seines Todes außer Haus gegangen.«
    Wie auf der Flucht eilte sie ins Freie.
    Charman folgte ihr und packte sie am Oberarm. »Und nun glaubst du, ich hätte ihn umgebracht?« Er sah sie aus schmalen Lidern an, als wollte er mit seinen Blicken einen dichten Nebel durchdringen. Dann ließ er sie los und schüttelte fassungslos den Kopf. »Nein, Agnes, das nehme ich dir nicht ab. Du weißt ganz genau, dass ich mir damit nur selbst geschadet hätte. In Wahrheit wolltest du dich aus seiner Tyrannei befreien, und sein Tod kommt dir gerade recht! Hast du dich mir nur an den Hals geworfen, weil du es alleine nicht vermochtest? Und dir dann einen anderen gesucht, der es für dich erledigt?« Charman ballte seine Hände zu Fäusten. »Du gottverdammte Hure«, brüllte er so laut, dass es von der Fassade des Doms dreifach widerhallte, als sie von seinen Worten zutiefst schockiert auf eine Antwort verzichtete. »Ich werde dich verklagen und dafür sorgen, dass ich zu meinem Recht komme. Ein für alle Mal!«

    »Ihr seht krank aus, Herrin«, unterbrach Stingin Agnes’ Gedanken, als sie sie vor dem Fenster sitzend vorfand, immer noch die Regentropfen auf der Scheibe beobachtend.
    »Ist das ein Wunder?«, fragte Agnes mit tonloser Stimme, während sie mit Blicken verfolgte, wie Stingin die beiden Becher mit warmer Milch, die wie üblich für sie und Sophie bestimmt waren, auf einem Tischchen abstellte.
    Mit inniger Zuneigung beobachtete Agnes, wie ihre Tochter erwachte und sich noch ein wenig in den Kissen rekelte, wie ein Kätzchen, das mit geschlossenen Augen die Geborgenheit einer gemütlichen Schlafstatt genoss.
    »Heute ist der große Tag, Stingin, schon vergessen?«, sagte Agnes bitter. »Kann sein, dass sie mir bei Gericht heute endgültig das Fell über die Ohren ziehen und wir alles verlieren. Was wirst du tun, wenn ich kein Geld mehr habe, dich zu beschäftigen?«
    »Betet zum süßen Jesus, er wird uns helfen«,

Weitere Kostenlose Bücher