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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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Dinge sind vergangen und lassen sich nicht mehr ändern.« Sie schlang das Lederband um die Finger und wickelte es zu einem sorgfältigen Knäuel auf, dann ergriff sie Augustins warme Hand. »Hier, nehmt. Sie ist wirklich Euer. Ihr braucht den Segen der Justitia in Eurem Beruf dringender als ich.«
    Er blickte nachdenklich auf die Münze, dann reichte er sie zurück. »Nein, Sophie, ich will sie nicht. Diese Justitia trug ein naiver Junge. Die Zeiten, in denen das Symbol etwas bedeutet hat, sind lange vorbei. Bei dir ist die Münze besser aufgehoben. Und habe ich dich nicht gebeten, mich zu duzen?«
    Sophie zögerte. Den jungen Augustin hatte sie gekannt und ins Herz geschlossen, aber das war über zwanzig Jahre her. »Was hat Euch … entschuldige, ich meine: dich … wieder nach Köln verschlagen?«
    »Ein Mann sucht irgendwann im Leben einen Mittelpunkt, schätze ich. Ich bin viel durch die Lande gereist. Aber es bereitet mir nicht mehr so viel Freude wie früher.« Dabei klopfte er mit seinem Gehstock vorsichtig gegen sein Knie und verzog den Mund zu einem gequälten Lächeln. »Und wenn ich ehrlich sein soll, habe ich dich gesucht. Dich und deine Mutter. Doch von den Bekannten von damals sind nur noch wenige am Leben. Niemand konnte mir sagen, ob du inzwischen geheiratet und den Namen geändert hast.«
    »Du hast uns gesucht? Aber warum denn?«
    »Weil mir der Prozess, der gegen sie geführt wurde, bis heute nicht aus dem Kopf gegangen ist. Was ihr geschehen ist, war nicht rechtens! Einige der Zeugen, der Richter, ja sogar mein damaliger Dienstherr, Mathis von Homburg, waren so gegen sie voreingenommen, dass sie Fakten und Zusammenhänge, die ich ihnen präsentiert habe, nicht wahrhaben wollten. Ich fand den Verlauf des Prozesses damals undurchsichtig, und ich finde es noch heute.«
    »Und das wolltest du meiner Mutter sagen?«
    »Ja, denn inzwischen habe ich die Zulassung. Ich möchte mir den Fall Imhoff noch einmal vornehmen, und dazu brauche ich ihr Einverständnis.«
    Sophie zog in freudiger Überraschung die Augenbrauen hoch. »Du willst die Vorfälle erneut untersuchen? Jetzt, nach über zwanzig Jahren?«
    »Warum nicht? Immerhin hat man deine Mutter und dich um euer ganzes Hab und Gut gebracht. Auch wenn dieser Charman von deinem Vater betrogen worden ist, Sophie, so muss es 1534 um weit mehr gegangen sein als nur um Entschädigung und Geld.«
    »Was für einen Grund sollte es gegeben haben, meine Mutter für etwas zu bestrafen, an dem sie keine Schuld hatte? Nein, Augustin, es ging und geht immer nur um Geld, und das Recht ist für die Reichen. Ich träume auch von Gerechtigkeit und unseren alten Häusern, aber ich kann es mir schlicht und ergreifend nicht leisten.« Sie wandte sich um und wies über die Buden und Stände hinweg zu einem Haus, das am Rande des Marktplatzes stand – eine der besten Adressen der Stadt. »Dort wohnt Richter Hauser, während meine Mutter froh sein kann, dass sie vom Beginenkonvent aufgenommen wurde.«
    Augustin zog die Brauen zusammen und blickte zu dem Anwesen hinüber. Kurz blitzte es in seinen Augen auf, bevor er einige Schritte auf das Haus zumachte.
    »Das ist ein schönes Haus …«, murmelte er. »Und sehr groß dazu.« Dann wandte er sich wieder um. »Wann hat er es erstanden?«
    »Ich weiß es nicht genau, Augustin. Ich interessiere mich nicht sonderlich für Hausers Geschäfte.«
    »Vielleicht solltest du das.« Er sprach leise, wie zu sich selbst, und hatte dabei beide Hände auf den silbernen Knauf seines eleganten Gehstocks gestützt. »Wie gesagt, der Richter hat sich damals sehr voreingenommen gezeigt. Und auch mein ehemaliger Mentor hat nicht gerade Ehrgeiz entwickelt, seine Mandantin zu verteidigen, und mich sogar entlassen, als ich es tat.«
    Sophie runzelte die Stirn, als sie daran zurückdachte. »Ich habe mich in der Tat gewundert, als mir meine Mutter seinerzeit berichtete, dass du den Prozess mit einem Mal nur noch von der Besucherbank beobachten durftest, aber verstanden habe ich das nicht.«
    »Ich auch nicht, Sophie. Von Homburg erklärte nur knapp, dass ich meine Befugnis überschritten und ihn damit bloßgestellt hätte, und das könnte er nicht dulden. Ich war in meinem Rechtsempfinden erschüttert – deshalb gab ich dir die Münze, ich glaubte nicht mehr an Justitia. Erst viel später dämmerte es mir, dass vielleicht auch mein Mentor befangen war.«
    Nun betrachtete auch Sophie das Anwesen des Richters mit neuen Augen. Das Haus war groß –

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