Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook
dich!«, rief ich. »Du bist die Einzige, der ich mich anvertrauen kann. Sieben Monate sind es nun schon. Jeden Morgen, wenn ich erwache, ist mir die Brust schwer, und jede Nacht weine ich mich in den Schlaf. Ich halte es nicht länger aus. Ich muss meinen Ehemann verführen!«
Wüstenrose schwieg. Ich nahm mein Kopftuch ab, packte ihren Kopf und zwang sie, mich anzusehen. »Sag mir die Wahrheit – bin ich so hässlich?«
»Du bist überhaupt nicht hässlich, Kimya. Du bist eine wunderschöne junge Frau.«
»Dann hilf mir! Lehre mich, den Weg zum Herzen eines Mannes zu finden!«
»Der Weg zum Herzen eines Mannes kann eine Frau sehr weit von sich selbst abbringen, liebe Kimya«, sagte Wüstenrose geheimnisvoll.
»Wie auch immer«, entgegnete ich. »Ich bin bereit, so weit zu gehen, wie es nottut.«
WÜSTENROSE
KONYA, DEZEMBER 1247
B itterlich weinend bat sie mich inständig, ihr zu helfen. Ihr Gesicht war geschwollen, und ihre Brust hob und senkte sich immer schneller, bis ich schließlich sagte, ich würde ihr beistehen. Aber während ich sie noch tröstete, war mir schon klar, dass es keine Hoffnung gab und dass ich ihrer Bitte nicht hätte nachgeben dürfen. Trotzdem frage ich mich, warum ich diese Tragödie nicht kommen sah. Von Schuld zerrissen grüble ich darüber nach, wie ich so leichtgläubig sein konnte und nicht merkte, dass die Dinge eine so grauenhafte Wendung nehmen würden.
Aber damals, als sie kam und weinend um Hilfe bat, konnte ich sie einfach nicht abweisen.
»Bitte zeig es mir«, flehte sie mich an, die Hände sittsam im Schoß gefaltet, ganz das brave Mädchen, zu dem man sie erzogen hatte. Ihre Stimme klang, als gäbe es nicht einmal mehr die kleinste Hoffnung, und hatte zugleich doch etwas Hoffnungsvolles.
Was sollte daran schlimm sein?, sagte ich mir, während mein Herz vor Mitleid einen Augenblick lang aussetzte. Schließlich wollte sie doch keinen Fremden verführen, sondern ihren Ehemann! Und nur aus einem einzigen Grund: aus Liebe. Wie sollte das zu irgendetwas Unrechtem führen? Vielleicht war ihre Leidenschaftlichkeit zu stark, mag sein, aber sie war doch immerhin halal. Eine erlaubte Leidenschaftlichkeit!
Ein Gefühl in meinem Inneren sagte mir, dass irgendwo eine Falle lauerte, aber da es eine gottgesandte Falle war, ging ich bedenkenlos hinein und beschloss, Kimya zu helfen, diesem Dorfmädchen, dessen Vorstellung von Schönheit sich auf mit Henna bemalte Hände beschränkte.
Ich erklärte ihr, was man tun muss, um anziehender zu wirken und besser auszusehen. Sie war eine wissbegierige und gelehrige Schülerin. Ich zeigte ihr, wie man lange Bäder in parfümiertem Wasser nahm, die Haut mit Duftölen und Salben zart machte und Gesichtsmasken aus Milch und Honig auftrug. Ich schenkte ihr Bernsteinperlen, die sie sich ins Haar flechten sollte, damit ihr Haupt einen süßen, lang anhaltenden Duft verströmte. Lavendel, Kamille, Rosmarin, Thymian, Lilie, Majoran und Olivenöl – ich sagte ihr, wie man die einzelnen Duftstoffe anwendet und welches Räucherwerk sie nachts anzünden solle. Dann zeigte ich ihr, wie man die Zähne bleicht, Finger- und Zehennägel mit Henna färbt, Augen und Brauen mit Kajal schminkt, Lippen und Wangen rot bemalt, das Haar üppiger und seidiger und die Brüste größer und runder macht. Wir gingen gemeinsam in einen Laden im Basar, den ich von früher her nur allzu gut kannte, und kauften Seidengewänder und Seidenunterwäsche, wie sie sie ihr Lebtag nicht gesehen hatte.
Dann brachte ich ihr bei, vor einem Mann zu tanzen – den von Gott geschenkten Leib zu benutzen. Nach zwei Wochen Vorbereitung war sie so weit.
An diesem Nachmittag richtete ich Kimya für Schams-e Tabrizi her wie ein Hirte ein Opferlamm. Sie nahm ein warmes Bad, massierte die Haut mit seifengetränkten Tüchern und rieb sich Öle ins Haar. Dann half ich ihr, Kleidungsstücke anzulegen, die eine Frau nur für ihren Mann tragen durfte, und selbst für ihn nur ein oder zwei Mal im Leben. Ich hatte einen kirschroten Mantel und ein rosarotes, mit goldenen Hyazinthen besticktes Gewand ausgesucht, dessen Schnitt die Form ihrer Brüste erkennen ließ. Und zuletzt schminkte ich sie. Vollendet wurde ihre Verwandlung durch eine Perlenkette, die sich um die Stirn zog. So hübsch sah sie aus, dass ich den Blick gar nicht mehr von ihr wenden konnte.
Als wir fertig waren, sah Kimya nicht mehr wie ein unerfahrenes, schüchternes Mädchen aus, sondern wie eine vor Liebe und Leidenschaft
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