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Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook

Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook

Titel: Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elif Shafak
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wollen. Und du zeigst dich auch noch, obwohl du nach Alkohol stinkst und deine Nase wie eine rote Laterne glüht!«
    »N… na und«, stammelte ich. »Bin ich vielleicht kein Mensch?«
    Hristos klopfte mir auf die Schulter, wie um zu sagen: Sei doch nicht so empfindlich.
    »Genau deshalb ist mir die Religion zuwider, jede Religion! Die Religiösen sind sich so sicher, dass Gott an ihrer Seite ist, dass sie sich besser als alle anderen wähnen«, sagte ich.
    Hristos erwiderte nichts. Er war ein Mann des Glaubens, doch auch ein guter Wirt, der ungehaltene Gäste zu besänftigen wusste. Er brachte mir noch eine Karaffe mit Rotwein und sah zu, wie ich ihn in mich hineinschüttete. Draußen blies ein heftiger Wind, der die Fenster zustieß und das welke Laub aufwirbelte. Einen Augenblick lang schwiegen wir und lauschten so andächtig, als wäre da eine Melodie zu hören.
    »Mir will es einfach nicht in den Kopf, warum Wein in dieser Welt verboten, aber für den Himmel versprochen ist«, sagte ich. »Wenn Wein so schlimm ist, wie sie immer behaupten, warum kriegt man ihn dann im Paradies?«
    »Fragen über Fragen …«, murmelte Hristos und hob die Hände. »Immer stellst du so viele Fragen. Musst du denn alles anzweifeln?«
    »Na klar! Dafür haben wir doch unser Hirn, oder?«
    »Ich kenne dich jetzt schon sehr lang, Suleiman. Du bist nicht irgendein Gast für mich, sondern mein Freund. Und ich mache mir Sorgen um dich.«
    »Alles bestens mit …«, erwiderte ich, doch Hristos schnitt mir das Wort ab.
    »Du bist ein guter Mensch, aber deine Zunge ist spitz wie ein Dolch, und das beunruhigt mich. Es gibt alles mögliche Volk in Konya. Und so mancher, das ist kein Geheimnis, hält nichts von Moslems, die trinken. Du musst lernen, auf der Hut zu sein, wenn du unter Leuten bist. Halte deine Gepflogenheiten verborgen und pass auf, was du sagst.«
    Ich grinste. »Sollen wir diese Rede mit einem Gedicht von Khayyam krönen?«
    Hristos seufzte auf, aber der persische Händler, der zugehört hatte, rief fröhlich: »Genau, wir wollen ein Gedicht von Khayyam hören!«
    Weitere Gäste schlossen sich an und spendeten mir lautstark Beifall. Beschwingt, ja sogar ein bisschen angestachelt, sprang ich auf einen Tisch und begann das Gedicht aufzusagen:
    »Ließ Gott die Trauben wachsen und den Saft
    und nannt’ das Trinken trotzdem sündenhaft?«
    Der Perser rief: »Natürlich nicht! Wäre ja völlig unsinnig!«
    »Dankt ihm und lasst die Zuversicht nicht sinken:
    Er freut sich, wenn wir recht viel trinken!«
    Wenn mich die vielen durchgesoffenen Jahre etwas gelehrt hatten, dann, dass die Leute ganz unterschiedlich tranken. Ich kannte welche, die sich Nacht für Nacht mit riesigen Mengen vollschütteten, lustig wurden, Lieder sangen und schließlich einschlummerten. Aber es gab auch diejenigen, die sich nach ein paar Schlucken in Ungeheuer verwandelten. Wenn dasselbe Getränk die einen fröhlich und beschwipst und die anderen böse und streitsüchtig machte, sollte man dann nicht den Trinkern die Verantwortung dafür geben statt dem Trank?
    »Trinkt! Denn woher ihr kommt, das wisst ihr nicht.
    Trinkt! Denn wohin ihr geht, zeigt euch kein Licht.«
    Wieder erscholl lauter Beifall. Sogar Hristos machte mit. Im jüdischen Viertel von Konya, in der Schenke eines christlichen Wirts, erhob eine bunte Schar von Weinliebhabern jeden Glaubens die Gläser, und alle stießen, auch wenn es fast zu schön klingt, um wahr zu sein, auf einen Gott an, der uns zu lieben und uns zu vergeben vermochte, während wir selbst das eindeutig nicht konnten.

ELLA
    NORTHAMPTON, 31. MAI 2008
    B esser auf Nummer sicher gehen«, stand auf der Website. »Überprüfen Sie seine Hemden auf Lippenstiftspuren und kontrollieren Sie, ob er nach unbekannten Parfüms riecht, wenn er abends heimkommt.«
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