Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook
war besser, nicht mehr von Schams zu sprechen. Ich holte Baybars einen Krug Bier, den er hastig leerte.
»Und – was ist deine besondere Gabe?«, fragte er, nachdem er ein zweites Bier hinuntergestürzt hatte. »Ihr Mädchen habt doch jede eine bestimmte Fähigkeit. Verstehst du dich aufs Bauchtanzen?«
Ich sagte ihm, dass ich nichts dergleichen könne und dass jede Begabung, die ich je besessen hätte, verschwunden sei, weil ich an einer unbekannten Krankheit litte. Der Bordellwirt hätte mich umgebracht, wenn er gehört hätte, dass ich das einem Freier erzählte, aber es war mir einerlei. Insgeheim hoffte ich nämlich, dass Baybars die Nacht mit einem anderen Mädchen verbringen würde.
Doch leider zuckte er nur mit den Schultern und sagte, das würde ihn nicht stören. Dann zog er seinen Beutel hervor, schüttete ein rötlichbraunes Zeug daraus auf seine Hand, warf es sich in den Mund und begann langsam zu kauen. »Willst du auch?«, fragte er mich.
Ich schüttelte den Kopf. Ich wusste, was das war.
»Du weißt gar nicht, was du verpasst.« Grinsend legte er sich aufs Bett und verlor sich im Haschischrausch.
In dieser Nacht erzählte Baybars, benommen von Hanf und Bier, großtuerisch von den schrecklichen Dingen, die er auf den Schlachtfeldern gesehen hatte. Dschingis Khan sei zwar tot und sein Fleisch verwest, sagte er, aber sein Geist begleite die Mongolenarmee noch immer. Von diesem Geist angestachelt greife die Mongolenarmee Karawanen an, plündere Dörfer und metzele Frauen und Männer nieder. Er erzählte mir von dem Mantel des Schweigens, der sich in einer kalten Winternacht weich und friedlich über das Schlachtfeld legt, auf dem Hunderte getötet und verwundet worden waren und Dutzende noch ihren letzten Atemzug taten.
»Die Stille nach einer solchen Verheerung ist das friedlichste Geräusch der Welt«, sagte er lallend.
»Das klingt so traurig.«
Von einem Moment zum anderen war er nicht mehr imstande, etwas zu sagen. Es gab nichts mehr zu reden. Er packte mich am Arm, stieß mich aufs Bett und riss mir das Gewand vom Leib. Seine Augen waren blutunterlaufen, seine Stimme klang heiser, und er stank widerwärtig nach Haschisch, Schweiß und Hunger. Mit einer einzigen Bewegung drang er rücksichtslos und roh in mich ein. Ich versuchte mich auf die Seite zu legen und die Schenkel zu entspannen, damit es nicht mehr so schmerzte, aber er presste seine Hände so fest auf meine Brüste, dass ich mich nicht mehr rühren konnte. Noch lange nachdem er in mir gekommen war, stieß er weiter in mich wie eine Marionette, die, von unsichtbaren Händen bewegt, nicht aufhören kann. Sichtlich unbefriedigt rammte er sich mit solcher Gewalt hinein, dass ich befürchtete, er würde wieder hart, doch dann war es plötzlich vorbei. Immer noch über mir sah er mir so hasserfüllt ins Gesicht, als ekelte er sich vor dem Körper, der ihn eben noch erregt hatte.
»Zieh dir was an!«, befahl er, während er sich zur Seite rollte.
Während ich mein Gewand überwarf, sah ich aus den Augenwinkeln, dass er sich noch mehr Haschisch in den Mund schob. »Ab jetzt bist du meine Geliebte«, sagte er mit malmenden Kiefern.
Es war nicht ungewöhnlich, dass ein Freier diese Forderung stellte. Wenn die Lage derart heikel wurde, machte ich dem jeweiligen Mann immer weis, ich würde liebend gern seine Geliebte und nur ihm zu Diensten sein, es würde aber sehr viel kosten und zuvor müsse er die Herrin beglücken. Doch in dieser Nacht war mir nicht danach, irgendetwas vorzuspielen.
»Ich kann nicht deine Geliebte sein«, erwiderte ich. »Ich gehe bald weg von hier.«
Baybars lachte so schallend auf, als hätte er noch nie etwas so Lustiges gehört. Dann sagte er im Brustton der Überzeugung: »Das glaubst du doch selbst nicht.«
Es wäre besser gewesen, mich nicht mit ihm zu streiten, aber ich konnte nicht anders. »Wir beide sind gar nicht so verschieden. Wir haben beide in der Vergangenheit etwas getan, was wir zutiefst bereuen. Aber aus dir ist dank der Stellung deines Onkels ein Wachmann geworden. Ich habe keinen Onkel, der mich unterstützt, verstehst du!«
Baybars Gesicht erstarrte, und seine bisher kalten und abweisenden Augen weiteten sich vor Wut. Er stürzte sich auf mich und packte mich an den Haaren. »Ich war doch nett zu dir, oder nicht?«, knurrte er. »Für wen hältst du dich eigentlich?«
Ich wollte etwas erwidern, aber ein stechender Schmerz brachte mich zum Schweigen. Baybars schlug mir ins Gesicht und stieß
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