Die Vinetaner - Rusana
hängt natürlich von den Nebengeräuschen ab und wie nah du mir bist.“
„Und wie schnell könnt ihr rennen? Bist du schneller oder langsamer als Haschu?“
Egbert lachte warm.
„Du möchtest Zahlen?“
„Nur damit kann ich etwas anfangen.“
„Na gut. Nehmen wir zum Vergleich eine Laufdauer von zwei Stunden. Ich schätze, ein gut trainierter Mensch läuft diese Strecke im Durchschnitt mit zwanzig Stundenkilometer, ein Vinetaner läuft zwischen vierzig und fünfzig Stundenkilometer und ein Pferd wie Haschu schafft gute siebzig Stundenkilometer. Kurzfristig können wir uns so schnell bewegen, dass ein Mensch es kaum wahrnimmt.“
„Beeindruckend. Gibt es bei euch keine dicken Vinetaner?“
„Selten, und die sind dann natürlich auch nicht so schnell. Aber in der Regel haben wir Vinetaner den Drang, uns zu bewegen, also bleiben wir auch fit.“
„Und wie groß ist Vineta?“
„Die Stadt oder das Reich?“
„Beides.“
Egbert wollte gerade antworten, wurde jedoch durch Christians knurrenden Magen abgelenkt. Er griff neben sich nach einem Tuch, in dem etwas eingeschlagen war.
„Hier. Wir haben dir ein wenig vom Hasen übrig gelassen.“
„Vom Hasen?“, fragte Chris verwundert?
„Ja. Ich war jagen. Zwischen der Hütte und dem See gibt es eine gut abgeschirmte Feuerstelle, über der Rusana den Hasen gegrillt hat.“
Christian wickelte das Stück Fleisch aus, biss hinein und schloss genießerisch seine Augen. Der Hase war zart und schmeckte köstlich.
„Mm ..., das ist gut“, nuschelte er mit vollem Mund. „Danke.“
„Gern geschehen. Also, die Stadt Vineta zählt ungefähr fünfhunderttausend Einwohner und das Königreich Vineta ist etwa so groß wie die Fläche Deutschlands und Englands zusammen.“
„Und was liegt hinter dem Königreich?“
„Außer dem Meer endlose Sand- und Steinwüsten. Wir haben es bis heute nicht geschafft, sie zu überfliegen oder zu durchqueren. Viele Vinetaner haben bei dem Versuch bereits ihr Leben gelassen. Genau wir hier gibt es auch dort Zonen, in denen und über denen jegliche Technik versagt, sodass unsere Flugzeuge abstürzen wie Steine. Auch Flüge in den Weltraum sind uns nicht möglich, da ab einer Höhe von zwanzig Kilometern sämtliche Systeme ausfallen. Wir können also noch nicht einmal sagen, wie unsere Welt von weit oben betrachtet aussieht.“
„Und das beängstigt dich nicht?“
„Eigentlich nicht. Unsere Welt ist halt anders als eure und doch sind sie miteinander verbunden.“
„Ja, und das ist beunruhigend.“
„Ach was, man kann sich auch zu viele Gedanken machen.“ Egbert blickte zum Himmel. „In gut zwei Stunden wird es hell. Du solltest versuchen, noch etwas zu schlafen.“
„Eigentlich fühle ich mich nicht müde. Hast du etwas dagegen, wenn ich hier bleibe. Es ist schön hier draußen. Ich werde dir auch nicht mit meinen vielen Fragen auf die Nerven gehen.“
Erneut erklang Egberts warmes Lachen.
„Ich habe nichts gegen deine Gesellschaft, Junge. Du solltest dir eine Decke hohlen und es dir auf dem Boden bequem machen. Jetzt ist eine gute Zeit, um Sternschnuppen zu beobachten.“
Christian folgte dem Ratschlag, legte sich auf eine Decke und blickte in den sternenübersäten Himmel. Es tauchten viele Sternschnuppen am Firmament auf, deren Bahn er erstaunlich lange verfolgen konnte - und jedes Mal wünschte sich Christian eine Zukunft mit Rusana. Als Kind hatte ihm seine Tante oft erzählt, dass Wünsche in Erfüllung gehen würden, wenn man eine Sternschnuppe sah. Er glaubte zwar nicht daran, aber ein Versuch konnte nicht schaden.
Kurz bevor die Dämmerung einsetzte, übermannte Christian doch noch einmal die Müdigkeit. Egbert weckte ihn und Rusana erst, als es Zeit wurde, aufzubrechen.
15. Die Salzsteppe
Rusana, Egbert und Christian standen auf einer Anhöhe und blickten über die Salzsteppe. Steinfelder, über die sich eine weiße Salzschicht zog, wurden durch Felder lila blühender Pflanzen durchbrochen. Zwischen den Steinen sowie den Salzblumen glitzerten Wasserlöcher, umrandet von Salzkristallen. Die Luft flimmerte und die drückende Wärme erschwerte das Atmen. Die Berge auf der gegenüberliegenden Seite waren gute zwei Kilometer entfernt. Egbert deutete auf einen schmalen Pfad unter ihnen und erklärte Christian:
„In diesem Gebiet ist das der einzige, sichere Weg über die Ebene. Du solltest ihn nicht verlassen, denn unter der Salzsteppe befindet sich ein instabiles Labyrinth aus Hohlräumen und Gängen, weswegen es bei
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