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Die Violine von Auschwitz: Roman (German Edition)

Die Violine von Auschwitz: Roman (German Edition)

Titel: Die Violine von Auschwitz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Àngels Anglada
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erstarrt. Er rüttelte seinen Nachbarn an den Schultern:
    »He, hast du das Motorengeräusch gehört? Das waren doch die Lastwagen, oder?«
    »Ja, das waren sie«, bestätigte dieser hellwach, er hatte gar nicht geschlafen. »Weit gefahren sind sie jedenfalls nicht«, fuhr er fort. »Die haben sie auch nicht erschossen, die Dreckskerle, diese Mörder! Ich hatte schon vorher einen Verdacht, wie sie es machen würden, weil wir zwei Saurer-Lastwagen mit kaputten Bremsen bei uns zur Reparatur hatten. Verdammt seien sie alle und ich genauso, weil mich diese Scheißverbrecher dazu gezwungen haben, bei der Reparatur zu helfen.«
    Unterdrücktes Schluchzen schnitt ihm die Stimme ab. Es bedurfte keiner weiteren Erklärung. Auch gab es keine Worte, die ihn hätten trösten können. Und so schwiegen sie beide. Das Gerücht über die Lastwagen des Todes, das im Lager umging, stimmte also, dieses Gemunkel, von dem niemand wusste, woher es stammte und wie es sich, einer Epidemie gleich, unter den Häftlingen hatte ausbreiten können. Diese Fahrzeuge gingen deshalb so oft kaputt, weil sie die Hauptstraße verließen und über holprige, morastige Wege fuhren, ohne ihre Fracht abzuladen, um Aufruhr und Fluchtversuche zu vermeiden. Im Wageninneren, in dieser tödlichen Falle, wurden die Kranken schnell geheilt, indem man sie die Abgase des Dieselmotors einatmen ließ, sobald der Fahrer, der danach mit einer doppelten Ration Schnaps belohnt wurde, den Hebel drückte; auch die Kinder wurden auf diese Weise schlagartig aus den trügerischen Fängen ihrer Ahnungslosigkeit befreit. Dieser Gedanke erfüllte Daniel mit solch unbändiger Wut, dass er sich am liebsten die Knöchel seiner geballten Fäuste blutig gebissen hätte, aber er konnte sich nicht einmal diese sinnlose Geste erlauben, wenn er überleben wollte.
    Er hatte den Eindruck, soeben erst eingeschlafen zu sein, als die Sirene allen Schrecken zum Trotz einen neuen Tag ankündigte. Der Appell an diesem Morgen fiel kürzer aus als sonst, und einige zählten ihre Toten. Die Sonne löste schamlos die Nebelschwaden auf, der Wind schien die Namen der Ermordeten ins Nichts fortzutragen.
    Aber nicht alle hatten sie vergessen; die unerbittliche, niemals stillstehende Organisation, die sie inhaftierte und dezimierte, hatte sie bereits verbucht, und die zweckmäßigen Befehle waren schon bei der Lagerleitung angelangt. Wie sie feststellten, gab es kein Stück Brot zu viel, und auch der sogenannte Kaffee war um kein bisschen stärker. Die Listen waren rasch ausgebessert worden, und nun wartete man auf die unglücklichen Neuzugänge, um in den Pritschenreihen, in den Werkstätten und beim Appell die Lücken wieder zu füllen. Die Anzahl der Neuankömmlinge, mit der sie rechneten, würde jedoch nicht eintreffen: Im Lager wusste man bereits, dass viele den Weg der Rebellion gewählt hatten, den Tod einer Deportation vorzogen und im Warschauer Ghetto Widerstand leisteten.
    Freund ging leise fluchend in die Reparaturwerkstatt, wo er gewiss mehr denn je zu tun haben würde. Wie jeden Morgen galt es, die Arbeit mit einem Loch im Magen und nun auch noch mit einem schrecklich bitteren Nachgeschmack zu beginnen. Der Geigenbauer betrat niedergeschlagen die Werkstatt. Der älteste Kamerad, ein Tischler, der seit Tagen gehustet hatte, würde für immer fehlen. Weder der Anblick »seiner« Werkzeuge noch die bereits vollendeten Teile des Instruments konnten ihn von der Beklemmung befreien, die ihm die Brust zuschnürte. Die Arme schienen ihm schlaffer, seine Hände langsamer zu sein. Ich muss die Erinnerung an gestern abschütteln, dachte er, ich habe keine Zeit, an jene zu denken, die schon nicht mehr unter uns weilen, wenn ich mich nicht zu ihnen unter die Birken gesellen will. Nach und nach beruhigten ihn die gewohnten Handgriffe und der Duft der Hölzer ein wenig, und die drückenden Bande der Erinnerung schienen ihn nicht länger zu ersticken. Die dreißig Kniebeugen vom Vortag, eine an sich nicht außergewöhnliche Anstrengung, hatten an seinem geschwächten Körper Spuren hinterlassen; die Knie schmerzten noch, die Hände allerdings fühlten sich spürbar glatter an. Die plötzliche Kälte der letzten Tage und starker Wind aus Russland hatten die Haut ganz rissig gemacht. Durch die Creme war sie jedoch wieder geschmeidiger geworden, und das war äußerst wichtig für ihn. Er lebte nun mit einer sehr begründeten Hoffnung: Sie würden ihn sicher am Leben lassen, bis er die Geige fertiggebaut hatte.

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