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Die Vipern von Montesecco

Die Vipern von Montesecco

Titel: Die Vipern von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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fast, als sei man ganz zufrieden damit, die eigene Unabhängigkeit unter Beweis stellen zu können. Wer glaubte, Monteseccos Energie käme aus den Steckdosen, der täuschte sich gewaltig. Das brauchte man nicht triumphierend herauszuposaunen, das war einfach so, und genauso schnell und selbstverständlich, wie jeder seine Arbeit tat, kehrte auch das ruhige Selbstbewußtsein zurück, von demin den vergangenen Tagen nicht viel zu spüren gewesen war.
    Daran konnten auch die Vipern nichts ändern. Sicher, man hatte Vorkehrungen getroffen. Costanza Marcantoni hatte Antonietta Lucarelli und Marta Garzone zwei Gläschen ihres Wundermittels mitsamt den nötigen Instruktionen überlassen. In den Haushalten mit Kindern konnten so zwei provisorische Erste-Hilfe-Stationen eingerichtet werden. Die der Kräutermischung gegenüber skeptische Marisa Curzio rief eine Ärztin in Ancona an, mit der sie weitläufig verwandt war, und bat um ein paar Ampullen Vipernserum. Die Ärztin versprach, sich darum zu kümmern.
    Man nahm die Vipern nicht auf die leichte Schulter, doch augenscheinlich hatte sich der Schrecken vor ihnen in der vergangenen Nacht selbst verzehrt. Als Elena Sgreccia eine Vipera Berus meldete, die beim Abfallcontainer am Dorfeingang auf Mäusejagd war, nahmen die anderen das zur Kenntnis, wiesen die Kinder an, nur auf freien Flächen zu spielen, und wandten sich wieder ihrer Arbeit zu. Kein Mensch dachte daran, mit Stöcken und Gewehren auf Treibjagd zu gehen, nur Paolo Garzone brummte, daß zwei Gebissene wohl noch nicht ausreichten.
    »Am sichersten ist es, wenn man sie in Ruhe läßt«, sagte der alte Curzio.
    »Es sind schließlich auch Gottes Geschöpfe«, sagte Lidia Marcantoni.
    »Und wir vielleicht nicht?« maulte Paolo. Kopfschüttelnd machte er sich wieder an die Arbeit. Auch auf Vannoni wirkte diese Unerschütterlichkeit fast unheimlich. Zuerst hatte er sie für den alten bäuerlichen Fatalismus gehalten, der sich über Jahrhunderte ausgeprägt hatte und im Angesicht der biblischen Schlangenplage wiederaufgelebt war. Doch als er auf der Schwelle vor seiner Haustür saß, ein paar Zigaretten rauchte und das Treiben um sich herum beobachtete, begriff er, daß das nicht stimmte. Irgend etwas Entscheidendes hatte sich über Nacht verändert.Er spürte in jeder kleinen Handbewegung der Dorfbewohner ruhige Konzentration. Sie wußten, was sie taten.
    Als Milena Angiolini vorbeikam, fragte er sie, was eigentlich los sei, erntete aber nur ein Lächeln und die Gegenfrage nach seinem Befinden.
    »Alles bestens«, sagte Vannoni.
    »Gut«, sagte Milena und hüpfte die Stufen hinab.
    Vannoni legte den Arm auf den Rand des Terrakottatopfs hoch. Die Bißstelle pochte noch leicht, doch sonst war tatsächlich alles in Ordnung. Bis auf die Tatsache, daß er wieder einmal nicht begriff, was eigentlich gespielt wurde.
    Gigolos wütendes Gebell ließ Vannoni aufhorchen und scheuchte auch Paolo Garzone aus seiner Werkstatt. Zusammen beobachteten sie den Hund. Er war vor Lucarellis Haus angeleint worden und erdrosselte sich fast bei dem Versuch, auf die Viper loszustürmen, die sich dicht an der Hauswand auf die Piazza schlängelte. Die Viper rollte sich ein und legte den Kopf zurück. Sie verharrte in Angriffsstellung, bis sie sicher war, daß Gigolo sie nicht erreichen konnte, und machte sich dann langsam davon. Unweit der Stelle, wo der alte Curzio am Vortag die Orsini-Viper erlegt hatte, überwand sie das Mäuerchen und verschwand im Schatten der Pinien.
    »Sei endlich still, Gigolo!« rief Antonietta dem kläffenden Hund zu.
    »Ich glaube, das war auch eine Vipera Berus«, sagte Franco Marcantoni.
    »Eine Vipera Comune«, sagte Lidia Marcantoni so ruhig, als spräche sie von einem bunten Schmetterling, der vorbeigeflattert war.
    Franco schüttelte den Kopf. »Nein, es war eine Berus, ich habe genau gesehen, daß ihr Maul völlig platt war.«
    »Wenn deine Augen so gut wären wie dein Mundwerk ...«
    »Du könntest mir einfach mal glauben, darin bist du doch Expertin.«
    »Schluß! Ich halte das nicht mehr aus«, sagte Angelo Sgreccia.
    »Wieso?« fragte Lidia.
    »Was?« fragte Franco.
    »So zu tun, als wäre das alles ganz normal. Daß uns die Giftschlangen zwischen den Beinen herumkriechen! So kann das nicht weitergehen!« sagte Angelo.
    »Er hat ganz recht«, sagte Paolo Garzone und stapfte zu den anderen auf die Piazza hinab. Seine schweren Arbeitsstiefel klackten dumpf auf den Steinstufen.
    »Wollt ihr einfach zusehen, wie

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