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Die Vipern von Montesecco

Die Vipern von Montesecco

Titel: Die Vipern von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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Hand auf den Kirchturm. »Wäre jemand so freundlich, die Glocken zu läuten? Ich bitte zu Tisch.«
    »Gegen einen Teller Pasta vorher hätte ich nichts einzuwenden«, murrte Franco Marcantoni. Er brach sich ein Stück Weißbrot ab, pulte das Weiche aus der Rinde und steckte es in den Mund.
    »Einfach kleinschneiden, dann geht es auch ohne Zähne«, sagte der Americano und legte ihm zwei Koteletts auf den Teller.
    Noch hatten nicht alle zu essen bekommen, als Angelo Sgreccia um die Ecke der Kapelle stolperte. Dichtauf folgte Paolo Garzone.
    »Setzt euch und genießt!« sagte der Americano.
    Ohne Angelo aus den Augen zu lassen, stellte Paolo Garzone einen schlanken Metallzylinder auf die Tafel. Es war eine Lackspraydose. Die Verschlußkappe war blutrot.
    »Es ist genau derselbe Farbton«, sagte Paolo. »Ich habe es an Giorgios Todesanzeige ausprobiert.«
    »Wie kommst du dazu?« fragte Marta.
    »Richtige Frage, falscher Ansprechpartner«, sagte Paolo. »Ich habe den Sgreccias einen reparierten Handbohrerzurückgebracht. Wir haben ihn an einem Stück Holz ausprobiert, und als ich das dann in den Abfalleimer werfen wollte, lag da die Spraydose. Im Abfalleimer.«
    »Ich habe das Ding noch nie gesehen«, sagte Angelo.
    »Elena?« fragte Franco Marcantoni.
    »Den Abfall habe ich heute morgen ausgeleert«, sagte Elena.
    »Was ist mit der Spraydose?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Elena.
    »Ich habe sie nicht da hineingeworfen«, sagte Catia ungefragt.
    »Irgendwer will uns etwas unterschieben. Irgendwer will Angelo vernichten. Erst hetzt ihr ihn auf eine Viper, nur weil ihr seinen Worten nicht glaubt, wegen dieses verdammten Alibis, das ...« Elena Sgreccia keifte den alten Curzio an, der ihr schräg gegenüber saß. »Du warst es. Du hast Angelo schon einmal beschuldigt, Gianmaria. Das hat nicht geklappt, und jetzt versuchst du, ihn auf diese Weise fertigzumachen.«
    »Ich habe die Alibis von allen überprüft«, sagte Curzio. »Seines war falsch.«
    »Oder du!« Elena wies auf Costanza Marcantoni am Nebentisch. »Du hast verhindert, daß die Viper erschossen wird. Hast wohl gehofft, daß sie Angelo genauso tötet wie ...«
    »War meine Schwester bei euch zu Hause, nachdem du den Abfall ausgeleert hattest? Oder Curzio?« fragte Franco Marcantoni.
    Elena Sgreccia sprang hoch und lachte auf: »Und du bist wohl der König von Montesecco, was? Wir haben 46 nicht die Monarchie abgeschafft, damit sich ein zahnloser Alter als Herr über alles und jeden aufspielen kann. Du hast doch keine Ahnung, was hier ...«
    »Hör auf!« Franco Marcantoni schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Wer war heute bei euch im Haus?«
    »Was weiß denn ich?« kreischte Elena. »Unser Haus steht genauso offen wie alle Häuser hier. Das weißt du und deine Schwester und Curzio und jeder andere auch. Und wir haben nicht die Zeit, stundenlang unseren Abfalleimer zu bewachen.«
    »Niemand war bei euch, Elena«, sagte der alte Sgreccia. Er hustete hohl und fuhr fort. »Ich habe den ganzen Vormittag unten am Stadttor auf dem Mäuerchen gesessen, habe Paolo noch kommen sehen. Niemand war bei euch. Nur du und Catia und Angelo.«
    Elena setzte sich und starrte auf das Lammsteak vor sich. Sie schien plötzlich ganz ruhig, nur ihre Stimme zitterte leicht, als sie sagte: »Jemand könnte hinten beim Fenster eingestiegen sein.«
    »Nein«, sagte der alte Sgreccia.
    »Du könntest eingenickt sein.«
    »Nein«, sagte der alte Sgreccia.
    »Angelo ist dein Sohn«, sagte Elena.
    »Ja«, sagte der alte Sgreccia.
    Elena lächelte abwesend. Als sehe sie einen Film aus anderen, glücklichen Tagen. Wacklige, flimmernde Schwarzweißbilder, auf denen jedermann so unbeschwert lachte, als wäre die Zukunft egal. Elena schüttelte den Kopf.
    »Eßt doch!« sagte sie. »Das Fleisch wird ja kalt.«
    Mit fahrigen Bewegungen schnitt sie ein Stück Fleisch ab, schob es in den Mund, kaute hastig, schob ein Stück Brot nach, bevor sie das Fleisch heruntergeschluckt hatte. Kein anderer griff zu seinem Besteck. Auf der Brüstung des Balkons trippelte eine Taube entlang. Sie flog auf, als Catia sich räusperte und sagte: »Ich war es. Ich habe die Todesanzeige besprüht. Als Giorgio Lucarelli starb, wußte ich erst nicht, ob ich trauern oder lachen sollte. Ich habe in mich hineingehört, spürte das Pochen, vernahm die kleinen, spitzen Schreie. Es war der Haß, der sich zu Wort meldete. Blitzschnell und ganz von selbst ist er immer stärker geworden. Er hätte mich vergiftet,

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