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Die Vipern von Montesecco

Die Vipern von Montesecco

Titel: Die Vipern von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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sich die Biester im ganzen Dorf breitmachen?« Angelos Stimme klang erregt.
    »Es sind zu viele. Was sollen wir denn tun?« fragte Lidia.
    »Willst du ganz Montesecco niederbrennen?« fragte Franco. »Wie damals die Napoleonischen Truppen, als ...«
    »Hör auf mit dem Quatsch!« brüllte Angelo. »Nach mir hat die Viper auf der Piazzetta gestoßen, nicht nach dir. Ich habe ihre Giftzähne gesehen und ihr Maul zuschnappen hören. Keine zehn Zentimeter von meinem Fuß weg!«
    »Er hat völlig recht. Es ist unverantwortlich, schon wegen der Kinder«, sagte Paolo. Er wandte sich an Antonietta. »Denk an Sabrina und Sonia! Sie müssen hier weg, und zwar so schnell wie möglich!«
    »Ich lasse meine Kinder nicht alleine«, sagte Antonietta.
    »Ganz meine Meinung«, sagte Paolo. »Ihr packt das Nötigste zusammen, und in zehn Minuten können wir alle hier weg sein. Ich fahre euch, wohin ihr wollt. Wir könnten ans Meer, uns irgendwo billig einmieten, oder auch teuer, zum Teufel mit dem Geld!«
    »Das geht doch nicht, Paolo«, sagte Antonietta.
    »Warum nicht? Alle machen mal Urlaub. Wieso nichtdu und die Mädchen? Sonia kann ja noch nicht einmal schwimmen. Ich habe versprochen, daß ich es ihr beibringe. Gib mir zwei, drei Tage, und du wirst sie für einen jungen Delphin halten.«
    Antonietta lächelte.
    »Komm, wir machen uns ein paar schöne Tage in Senigallia, bis dieser Alptraum vorbei ist«, sagte Paolo.
    »Wie kommst du darauf, daß die Vipern in ein paar Tagen verschwunden sein könnten?« fragte Marcantoni.
    »Ja, wieso sollten sie, wenn sie hier wie Haustiere gehätschelt werden? Es fehlt nur noch, daß ihr sie dreimal täglich füttert«, höhnte Angelo. Er gestikulierte wild auf Franco Marcantoni ein.
    »Stell dich nicht so an!« sagte Franco. »Wegen ein paar Schlangen!«
    »Oder wir fahren in die Romagna. Cattolica, Riccione, Rimini? Da ist doch dieser Märchenpark. Der würde den Mädchen auch gefallen«, sagte Paolo.
    Antonietta blickte zur offenen Haustür, aus der man Sonia »L’isola che non c’è« trällern hörte, ohne daß Sabrina lautstark dagegen protestierte. Vielleicht trieb sie sich irgendwo im Dorf herum und bastelte wieder Halsschmuck aus toten Vipern. Es war Antonietta anzusehen, daß sie über Paolos Vorschlag nachdachte. Zweifelsohne würde es den Mädchen guttun, all diesem dumpfen Schrecken den Rücken zu kehren. Und ihr selbst auch. Einfach am Abend den Strand entlangzugehen, den feuchten Sand unter den nackten Füßen zu spüren und den flüsternden Wellen zuzuhören.
    »Es geht nicht«, sagte Antonietta. »Nicht, solange Giorgio und Carlo noch nicht bestattet sind und Giorgios Mörder ...«
    »Die Vergangenheit ist vergangen, die Toten sind tot. Du mußt auch an die Lebenden denken«, sagte Paolo. »Ich mache mir wirklich Sorgen um dich und die Mädchen, Antonietta.«
    Er faßte sie am Ellenbogen. Knapp unterhalb des Saums ihrer kurzärmligen Bluse.
    »Es ist nett gemeint von dir, Paolo. Danke!« Antoniettas Augen waren schwarz. Auch eine Neumondnacht auf offener See war schwarz. Oder ein fensterloses Zimmer bei Stromausfall. Oder eine geschlossene Eistruhe, in der zwei Tote lagen. Es war nicht die Zeit für Strandspaziergänge und Meeresrauschen.
    »Laß uns später noch einmal reden! Unter uns«, sagte Paolo.
    »Tut mir leid!« Antonietta lächelte Paolo kurz an, wandte sich um und verschwand im Haus. Paolo vergrub seine Hand in der Hosentasche. Er starrte auf die offene Haustür der Lucarellis.
    Angelo Sgreccia setzte sich in den gelb-weiß gestreiften Liegestuhl, der immer noch neben der Todesanzeige Giorgio Lucarellis stand. VV LA VIPERA! prangte in blutroter Farbe über dem ausgefransten unteren Rand.
    »Letzte Nacht bin ich dreimal schweißgebadet aufgewacht«, sagte Angelo, »und hatte jedesmal das gleiche Bild ins Hirn eingebrannt: Das aufgerissene Maul dieser Viper, und diese verfluchten Giftzähne ragten heraus wie Krummsäbel, und ich trat noch mit beiden Beinen zu, als ich schon längst wach war, zertrampelte fast das Bettgestell, und alles war stockdunkel und schwarz.«
    Franco Marcantoni sagte: »Vielleicht sollte man sie wirklich nicht machen lassen, was sie wollen.«
    »Ohne sie deswegen gleich umzubringen«, sagte Lidia.
    »Warte mal!« sagte Franco. Nach kaum einer Minute kam er mit einem roh geschälten Stock zurück und streckte ihn Angelo entgegen. Der Stock lief in einer V-förmigen Gabel aus, deren Enden nur jeweils wenige Zentimeter lang waren.
    »Was soll ich

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