Die Virus-Waffe
Frage ist natürlich, wie ein älterer
Grieche, der in einem winzigen kretischen Dorf lebt, an
einen versiegelten Behälter kommen konnte, der mit ei-
nem unbekannten, tödlichen Pathogen gefüllt ist«, erklärte
Richter.
Hardin schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung.
Ich soll nur den Erreger identifizieren und Maßnahmen in
die Wege leiten, um eine Epidemie einzudämmen, falls es
eine gibt. Da dieses Pathogen offenbar in einem Behälter
aufbewahrt wurde, der gestohlen wurde, ist das hier eher
eine Sache der Polizei. Ich möchte Ihnen Inspektor Lavat
vorstellen.«
Lavat war jedoch keine große Hilfe. Nicht, weil er sich
gegen eine Zusammenarbeit gesträubt hätte, sondern weil
er einfach keine Antwort wusste. »Ich kann Ihnen nur sa-
gen, dass Aristides sein Leben lang getaucht ist. Laut Aus-
sagen der Einheimischen ist er fast jeden Tag hinausgefah-
ren, obwohl er keine Lizenz besaß. Ihm gehörte ein Boot,
das in einer Bucht unterhalb von Kandíra ankert.«
»Warum braucht man hier zum Tauchen eine Lizenz?«,
erkundigte sich Richter.
»Auf dem Meeresboden dieser Gegend liegen zahlreiche
Schiffswracks. Einige davon sind zwei- bis dreitausend
Jahre alt und enthalten archäologische Schätze, die von
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ausgebildeten Tauchern gehoben werden sollten. Das Mi-
nisterium für Altertümer kann gut auf Tauchcowboys ver-
zichten, die diese Wracks wahllos ausplündern und alles
verscherbeln, was sie finden. Also müssen alle Scuba-
Taucher, die mit Atemgeräten hinuntergehen, eine Lizenz
beantragen, bevor sie mit Sauerstoffgeräten tauchen.«
»Und dieser Spiros hat sich nicht darum gekümmert?«
»Nein, er hat sich nicht daran gehalten. Soweit ich weiß,
hat er wiederholt Artefakte vom Meeresboden geborgen
und sie seinem Neffen gegeben, der sie weiterverkauft hat.
Nicos Name ist ein paar Mal in den örtlichen Polizeibe-
richten aufgetaucht, in Verbindung mit dem unerlaubten
Verkauf von antiken Objekten an Touristen. Die hätten es
eigentlich besser wissen müssen. Aber ihm konnte nie et-
was nachgewiesen werden.«
Richter dachte nach. »Das passt zu dem Artikel in der
griechischen Zeitung, in dem behauptet wurde, dass Aristi-
des ein Flugzeugwrack gefunden hat. Normalerweise stehe
ich dem, was die Zeitungen schreiben, sehr skeptisch ge-
genüber, aber in dieser Geschichte steckt vielleicht ein Funken Wahrheit. Er könnte etwas in einem Wrack oder auf
dem Meeresboden entdeckt, es mit nach Hause genommen
und dort geöffnet haben. Allerdings beantwortet das nicht
die Frage, wo genau er es gefunden hat. Weiß jemand aus
dem Dorf, wo er in jüngster Zeit getaucht hat?«
»Nein«, erwiderte Lavat. »Und wer es weiß, verrät es
nicht. Jedenfalls mir nicht. Die Bewohner dieser entlegenen
Dörfer haben keinen Respekt vor dem Gesetz. Die Chan-
cen, dass sich ein Dorfbewohner der Polizei anvertraut,
sind gleich null. Ich habe Aristides’ Boot untersucht«, fuhr 340
Lavat fort. »Aber ich habe nichts Aufschlussreiches gefun-
den. Es gab nichts an Bord, was nicht dorthin gehört hätte,
abgesehen von seiner Taucherausrüstung, natürlich. Ich
habe auch seine Navigationskarten überprüft. Auf keiner
sind irgendwelche Positionen vermerkt, die darauf hindeu-
ten könnten, wo er gewesen ist. Vermutlich kannte er die-
ses Gebiet so gut, dass er keine Karten zu Rate ziehen
musste. Er hat sie einfach nur an Bord gehabt, wie jeder
verantwortungsbewusste Bootsbesitzer.
Wenn Sie also nach dem Fundort dieses Pathogens su-
chen wollen, Mr. Richter, wünsche ich Ihnen viel Glück.
Das Mittelmeer hat eine Fläche von etwa zweieinhalb Mil-
lionen Quadratkilometern. Mit welchem Quadratkilome-
ter möchten Sie denn gern anfangen?«
Richter schmunzelte. »Das dürfte nicht schwer sein.
Falls Aristides diesen Behälter bei einem Tauchgang ge-
funden hat, müsste der Fundort ziemlich dicht vor Kreta
liegen. Sie sagten selbst, dass er ein offenes Boot hat. Also muss er an die Fundstelle gefahren, dort getaucht und am
Abend wieder nach Kandíra zurückgekehrt sein. Selbst
wenn er die Nacht nicht zu Hause verbracht hätte, sondern
sagen wir in Heraklion, musste er sich dennoch an diesen
Rhythmus halten. Er muss am selben Tag, an dem er aus-
gelaufen ist, in einen Hafen zurückgekehrt sein. Sein Boot
macht circa zehn bis höchstens zwölf Knoten pro Stunde.
Also dürfte er etwa fünf Stunden hinausgefahren sein. Das
begrenzt den Radius auf fünfzig, höchstens sechzig
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