Die Virus-Waffe
Krankenhausflur.
Hardin fuhr zu der Tür des Krankenzimmers herum und
riss sie auf. Sein Blick zuckte zu den Bildschirmen, und die flachen Linien sagten ihm, dass der Patient tot war. Ein
Wiederbelebungsversuch war vollkommen sinnlos, also
trat Hardin auf die linke Seite des Bettes und schaltete die Geräte ab. Sofort verstummte der Alarm.
Obwohl er das seit seinem ersten Schritt in das Kran-
kenzimmer erwartet hatte, schockierte ihn dieser Tod. Er
trat näher an das Bett und betrachtete Curtis’ Leiche. Als er genauer hinsah, bemerkte er die beiden Wunden in der
linken Brustseite des Patienten. Hardin wurde in seinem
Beruf zwar selten mit Schusswunden konfrontiert, aber er
identifizierte sie sofort.
Er wirbelte herum, so schnell er das in seinem unförmi-
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gen Anzug vermochte, und sah sich suchend nach dem
Angreifer um, der sich möglicherweise hinter ihm in dem
Krankenzimmer versteckt haben könnte. Dann fiel sein
Blick auf die Fensterscheibe, in deren Mitte runde Löcher
den Eintritt der Geschosse markierten. Der Mörder hatte
von außen zugeschlagen.
Er trat an das Fenster und spähte vorsichtig hinaus. Der
Hinterhof war verlassen. Wer auch immer diesen geheim-
nisvollen Mr. Curtis ermordet hatte, war entkommen.
Central Intelligence Agency,
Hauptquartier,Langley, Virginia
»Spreche ich mit Mr. Westwood?«
»Ja, Dr. Grant.« Westwood erkannte die Stimme des
Arztes sofort. »Liegt Ihnen der Autopsiebericht schon vor?«
»Nein, nein. Das wird etwa noch eine halbe Stunde in
Anspruch nehmen, und wir müssen auch auf die Ergebnis-
se der toxikologischen Analyse warten. Ich wollte Ihnen
nur mitteilen, dass Sie Recht hatten. Henry Butcher wurde
ermordet.«
»Woher wissen Sie das, wenn die Autopsie noch nicht
beendet ist?« Westwood klang keine Spur überrascht.
»Ganz einfach«, erläuterte Dr. Grant. »Nach unserer
letzten Unterhaltung habe ich Mr. Butchers Zimmer und
die medizinische Ausrüstung genauestens untersucht.
Wie Sie sicher bemerkt haben, wurde ihm eine intravenö-
se Kochsalzlösung verabreicht. Ich habe eine kleine Ver-
färbung in der Flasche bemerkt. Kochsalzlösung ist nor-
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malerweise vollkommen klar. Also habe ich den Ver-
schluss genauer in Augenschein genommen und eine
Punktierung gefunden, die vermutlich von einer Injekti-
onsnadel stammte. Ich habe die Lösung sofort analysieren
lassen. Das Labor hat darin Spuren eines pflanzlichen Al-
kaloids gefunden.«
Grant klang fast triumphierend. »Danke, Dr. Grant«,
erwiderte Westwood unbeeindruckt. »Ich würde gern die
endgültigen Ergebnisse der Analyse erfahren, sobald man
sie Ihnen vorlegt. Sie werden vermutlich feststellen, dass
Butcher mit einer Dosis Coniin getötet worden ist. Das
scheint der bevorzugte Giftstoff unseres geheimnisvollen
Killers zu sein.«
Réthymnon, Kreta
Richard Stein hatte zwei Entscheidungen getroffen. Erstens
würde er nicht länger als nötig in seinem Hotel warten.
Das bedeutete, er musste sich durch den Hinterausgang
schleichen, in seinen Mietwagen steigen und aus der Stadt
verschwinden. Er war sich einigermaßen sicher, dass we-
der McCready noch jemand anders den Seat mit ihm in
Verbindung brachte, weil er in bar bezahlt hatte. Und die
Kreditkarte, die er als Sicherheit hatte hinterlegen müssen, stammte aus einem privaten Vorrat an Karten, die er immer bei sich hatte.
Zweitens musste er sich noch einmal in den Server in
Amerika einloggen und überprüfen, ob dort E-Mails auf
ihn warteten. Sie enthielten vielleicht nützliche Informati-
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onen. Kurz nachdem er sich eingewählt hatte, starrte er auf
die letzte E-Mail von McCready. Er konnte kaum glauben,
was er da las.
Da stand zwar nicht direkt: Komm nach Hause, Junge,
alles ist vergeben und vergessen, aber es war nah dran. Die
Nachricht spezifizierte, wie er Kreta verlassen konnte, und
zwar mithilfe einer Fregatte der US Navy, die Kreta aus
westlicher Richtung anlief. Er sollte am folgenden Nach-
mittag an der Küste von einem Hubschrauber abgeholt
werden. McCready drückte beiläufig sein Bedauern über
Krywalds Verlust aus und wiederholte nachdrücklich,
dass Stein den Koffer auf keinen Fall öffnen sollte, wenn
ihm seine Gesundheit lieb war. Damit hatte Stein keine
Probleme, aber es überraschte ihn, dass McCready ihn of-
fenbar nicht sofort liquidieren lassen wollte. Auf einem
Schiff der US Navy dürfte er einigermaßen in Sicherheit
sein. McCready konnte ja wohl kaum die
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