Die Virus-Waffe
benachbarten Grundstücke. Er konn-
te nichts Auffälliges entdecken. Stein zuckte mit den
Schultern, überzeugte sich, dass der Stuhl noch unter der
Klinke stand, ging ins Bad und duschte.
Kurz nach acht frühstückte er in dem kleinen Speisesaal
des Hotels, ging danach auf sein Zimmer und beobachtete
erneut den Parkplatz. Mittlerweile flanierten Menschen
über die Straßen, und zwei Paare, die er im Speisesaal ge-
sehen hatte, luden ihre Koffer in ihre Wagen, einen weißen
Opel und einen hellgrauen Fiat. Ansonsten war niemand
in der Nähe des Hotels zu sehen.
Stein fuhr sein Notebook hoch und loggte sich über sein
Handy in den Server in den Staaten ein. Weder für ihn
noch für Krywald gab es Mails, also schaltete er Handy
und Notebook aus und verstaute beide in seinem Akten-
koffer. McCready hatte den Treffpunkt auf fünfzehn Uhr
zwanzig festgelegt. Das bedeutete, dass Stein bis zum Ren-
dezvous noch sechs Stunden totschlagen musste. Er würde
das Hotel nicht verlassen, solange er nicht musste, obwohl
573
er eigentlich keine Lust hatte, den ganzen Tag in seinem
Zimmer zu hocken. Aber die Gefahr, erkannt zu werden,
war draußen erheblich größer.
Er nahm ein Taschenbuch aus seiner Reisetasche und
versuchte zu lesen. Aber er war nicht bei der Sache und
merkte, dass er dieselbe Seite zum wiederholten Mal über-
flog. Alle paar Minuten stand er auf, trat in den Flur und
sah sich prüfend um. Dann kontrollierte er den Parkplatz
unter seinem Hotelfenster. Er wurde nur von dem Zim-
mermädchen gestört, das vormittags hereinkam und sein
Bett machen wollte. Stein ließ sie dabei nicht aus den Au-
gen und hielt unter dem Taschenbuch seine SIG schussbe-
reit im Schoß. Den Schalldämpfer hatte er vorher abge-
schraubt.
Um viertel nach zwölf überprüfte er erneut den Park-
platz und den Flur, ging in den Speisesaal, genehmigte sich
einen Lunch vom Büfett, und war kurz vor eins wieder in
seinem Zimmer.
Um zwanzig nach eins war seine Reisetasche fertig ge-
packt. Er stellte sie neben den Aktenkoffer auf das Bett,
warf einen kurzen Blick auf die Uhr, kalkulierte, wie lange
er zum Treffpunkt unterwegs sein würde, und kontrollier-
te dann noch einmal Zimmer und Bad, ob er etwas verges-
sen hatte. Bevor er sein Zimmer verließ, beobachtete er ei-
ne Weile den Parkplatz. Aber es war nichts Auffälliges zu
sehen. Stein schulterte seine Tasche, ging durch den Flur
zur Rückseite des Hotels, öffnete den Notausgang und
stieg die Feuerleiter zum Parkplatz hinab. Unten sah er
sich noch einmal prüfend um, trat auf die Straße und
schritt zügig zu seinem Seat.
574
Er war noch etwa zwanzig Meter von dem Wagen ent-
fernt, als er den alten Kreter bemerkte. Der Mann trug ei-
nen schmutzigen Schlapphut und einen zerlumpten Man-
tel, schlich über den Parkplatz und durchwühlte die Müll-
eimer. Er ging gekrümmt vom Alter und bewegte sich
langsam, als täte ihm jeder Schritt weh. Dabei umklam-
merte er mit der Rechten einen Plastikbeutel. Stein mus-
terte ihn kurz und ignorierte ihn dann. Das war ein Fehler.
Er öffnete den Kofferraum, legte seine Taschen hinein
und schlug den Deckel zu. Als er die Bewegung rechts von
sich mehr spürte als sah, wirbelte er herum und griff nach
seiner Waffe, aber er war viel zu langsam. Ein grelles Licht und ein Haufen Sterne explodierten vor seinen Augen,
und er sackte zu Boden. Seine Autoschlüssel und die Pisto-
le glitten ihm aus der Hand.
Murphy hatte sich auf die Hintereingänge der Hotels kon-
zentriert. Er hatte gesehen, wie der alte Kreter auf den
Parkplatz gehumpelt war, aber wie Stein maß er ihm keine
Bedeutung bei, nicht zuletzt, weil der alte Mann schon den
ganzen Morgen hier herumgeschlichen war. Seine Zielper-
son hatte Murphy jedoch nicht bemerkt, denn Stein hatte
den Parkplatz nicht von einem der Hotels aus, sondern aus
der anderen Richtung betreten. Die geparkten Fahrzeuge
hatten ihn verborgen.
Plötzlich hörte Murphy, wie ein Motor gestartet wurde,
und dann sah er das Heck des Cordoba und die leuchten-
den Rückfahrscheinwerfer. Der Wagen wendete, holperte
über die Schwelle des Parkplatzes, bog auf die Straße ein
und fuhr rasch davon.
575
Murphy fluchte. Wie hatte Stein ungesehen an ihm vor-
beikommen können? Er ließ den Motor an, legte den ers-
ten Gang ein und fuhr los. Nach wenigen Sekunden er-
reichte er die Hauptstraße und machte sich an die Verfol-
gung des Seat. Er war etwas verwirrt,
Weitere Kostenlose Bücher