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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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ruhiges Leben führen. Du kannst es mich lehren.«
    Rebecca schloß die Augen, ihr Mund zuckte. »Ich fürchte, dafür ist es zu spät.«
    »Aber Tante, wie kannst du so verzweifelt sein. Gewiß, der Tod der Kornmeisterin ist ein großes Unglück, aber ...«
    »Es muß mehr als ein Unglück sein. Seit sie tot ist, spricht kaum eine der Schwestern noch mit mir. Niemand will mir verraten, was in jener Nacht geschah. Auch die Schaffnerin weicht meinen Fragen aus. Es ist, als habe sich eine unsichtbare Mauer um mich herum errichtet. Columba, es kann sein, daß ich etwas mit dem Sturz der Kornmeisterin zu schaffen habe. In jener Nacht sah ich den Tod bei meinem Bett stehen, er trug einen Dolch und griff nach meiner Hand.«
    Das Mädchen schüttelte energisch den Kopf. »Unsinn. Du hast so wenig mit ihrem Tod zu schaffen, wie ich mit dem Katharinas.«
    Rebecca stöhnte kurz und schloß wieder die Augen.
    »Nimm noch etwas von dem Wein. Ich habe ihn neu gezapft, das Gebräu, das ich am Mittag in deinem Krug fand, schmeckte scheußlich wie ein nasser Lodewig. Die Schaffnerin prellt dich um deine besten Weine, wahrscheinlich trinkt sie die selbst.«
    Rebecca schüttelte sanft den Kopf. »Verhöhne sie nicht. Sie allein hat sich in den Tagen meiner Krankheit um mich gekümmert. Sie brachte mir Essen und Wein, wusch mich und salbte meine Wunden.«
    Columba verzog den Mund. »Ich mag sie dennoch nicht leiden, ich weiß gar nicht, warum du so gut zu ihr bist.«
    »Barmherzigkeit ist keine Frage der Zuneigung, sondern der Pflicht eines Christenmenschen. Wollten wir nur gut zu denen sein, die unser Herz erwärmen, dann stünde es schlecht um viele arme Sünder in dieser Welt.«
    Columba lachte kurz auf. »Endlich erkenne ich dich wieder Rebecca. Selbst die böseste Krankheit kann nichts gegen deine Gutmütigkeit und deine fromme Gesinnung ausrichten. Wenn es einen Menschen auf dieser Welt gibt, der mich lehren kann, mein Schicksal zu ertragen, dann bist du es.« Sie wischte sich verstohlen einige Tränen aus den Augenwinkeln.
    »Ich wünschte, es wäre so«, meinte Rebecca, »aber die letzten Wochen meiner Krankheit waren angefüllt mit immer schrecklicheren Traumbildern, die so wirklich schienen. Entsetzliche Grausamkeiten habe ich gesehen, Verbrechen, deren Erwähnung ich scheue, und die allesamt Tod und Verdammnis nach sich ziehen, und dennoch verspürte ich keine Abscheu. Nacht für Nacht sehe ich nichts anderes, und des Tags liege ich erschöpft da, kaum fähig zu sprechen, so als hätte ich zuvor eine lange Reise gemacht.«
    Columba strich sich nachdenklich das Haar aus der Stirn. »In der Nacht, als du in unserem Haus schliefst, als Katharina krank war, hattest du da Visionen, Traumbilder?«
    Rebecca runzelte verwirrt die Stirn. Lange versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. »Nein«, sagte sie endlich, »damals hatte ich keine Erscheinungen.«
    »Vielleicht ist es dann ja diese Kammer, die dich zum Träumen bringt. Vielleicht ist dieser Ort verflucht, liebe Tante. Wie, wenn du nur eine Nacht mit mir in einer anderen Zelle schlafen würdest?«
    Rebecca drehte langsam ihren Kopf, zweifelnd schaute sie die Nichte an. Eifrig fuhr Columba fort: »Denke doch nur an das verwunschene Haus am Perlenpfuhl. Niemand mag darin auch nur eine Nacht verbringen, seit der letzte Mieter um seinen Verstand gekommen ist. Auch er war von Dämonen geplagt, von Satansbildern verfolgt, lief durch die Gassen und war ganz irrwitzig.«
    Die Magistra beugte sich unter großen Anstrengungen vor. »Ich wünschte, es gäbe eine Erklärung so einfach wie diese.«
    »Laß es uns versuchen, dann wissen wir schon morgen mehr.«
    Rebecca streckte ihre rechte Hand vor und griff nach Columbas Arm. Eine kraftlose Geste, doch die Stimme der Magistra war nun merkwürdig fest. »Liebes Kind, ich kann nicht bei dir schlafen. Was, wenn der Leibhaftige des Nachts in mich einfährt und mich dazu bringt, Hand an dich zu legen?«
    Columba reckte trotzig das Kinn vor. »Ich fürchte mich nicht vor dir und auch nicht vor dem Teufel.« Leise fügte sie hinzu. »Was ich fürchte, ist das Leben. Und glaube mir, ich kenne keine größere Furcht.«
    »Nun gut«, stimmte Rebecca mit einem schwachen Lächeln zu, »dann laß uns in die andere Kammer übersiedeln. Ich bin sehr müde und möchte mich ausruhen.«
    »Mir geht es nicht viel anders«, erwiderte die Nichte seufzend und erhob sich.
    Juliana war nur wenige Straßen von dem Konvent entfernt, doch ein Mistschräffler, der

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