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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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Frankreich, an die katholischen Parteien?« setzte van Geldern listig das Gespräch mit dem Pulvermüller fort.
    »Der Weg ist unsicher und weit.« Der Pulvermacher schüttelte den Kopf. »Die Flüsse nach Frankreich sind, wie Ihr wißt, mühsam zu befahren.«
    Natürlich wußte van Geldern das, aber er wollte es aus dem Mund des Müllers hören. »Und wie wäre es mit Lieferungen an die Spanier? Man sagt, ihre Waffentechniken sind veraltet, und sie sind dringend angewiesen auf ausländische Lieferungen egal welcher Art«, bohrte der Kaufherr weiter.
    »Die Spanier!« schnaubte sein Gefährte verächtlich. »Ich will wohl glauben, daß die Iberer Waffen aller Art brauchen und Schießpulver dazu. Nur zahlen können sie für nichts.« Der Kaufmann murmelte Zustimmung. Im geheimen freute er sich, daß der Pulvermacher ein so einfacher Verhandlungspartner war, und so einfältig, ohne Umschweife zuzugeben, daß er auf seinem wertvollen Produkt festsaß.
    Rutger stieß die Tür zu seinem Hause auf. Sie traten in eine winzige, steingeflieste Diele, in der es nach schmutzigem Stroh und Mist stank. Rechter Hand befand sich nach alter Sitte der Kuhstall als Teil des Hauses. Vor der Kälte des Winters pflegten die Bauern seit Jahrhunderten nachts zwischen die warmen Körper ihrer Tiere zu kriechen.
    Der Pulvermacher führte den Kaufherrn eilig in die Stube, die gegenüber vom Kuhstall lag. Bescheidener Wohlstand sorgte für Behaglichkeit, die die früheren Bewohner des Hauses gewiß nicht gekannt hatten. Die Fenster des Raumes waren grün verglast, ein Kamin in die Wand gehauen und die Wände mit Ledertapeten beschlagen. Der Boden war mit frischen Binsen bedeckt, und auf einem Brett an der Wand tickte das Prunkstück des Hauses: eine mit goldenen Figuren geschmückte Tischuhr. Sie zeigte die zehnte Stunde und den aufstrebenden Ehrgeiz des Hausherrn.
    »Stine!« brüllte der Pulvermeister nach seiner Hausmagd. »Bring uns Bier, von dem niederländischen Hopfenbier für die Gäste.« Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm er auf einer Eckbank schräg gegenüber von van Geldern Platz.
    »Nun, Herr van Geldern, da Ihr jetzt alles über mein Pulver wißt, sagt mir, was Euch daran gelegen ist. Soviel ich weiß, leiht Ihr Geld oder handelt mit Wein, Stahl und Korn, was in Zeiten wie diesen gewiß einträglicher als mein Handwerk ist. Mit Korn kann man schließlich keine Kriege beginnen.«
    »Sagt das nicht. Im letzten Sommer, als in den Niederlanden der Hunger ausbrach und England eine Handelssperre verhängte, um die Hungernden zum Aufstand gegen ihre spanischen Herrn zu treiben, war Korn eine gewaltige Waffe. Und leider riß man sie mir aus der Hand. Viele Fuder besten Weizen, den ich in Antwerpen lagerte, um ihn nach England zu verschiffen, beschlagnahmten die Spanier.«
    »Und bezahlten es nicht«, schnaubte Rutger.
    »Nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.«
    Stine trat ein, einen Krug in der einen, zwei Holzbecher in der anderen Hand. Sie knickste, schenkte ein und verschwand. Höflich, wenn auch mit gewissem Widerwillen führte der Kaufherr den angebotenen Becher an den Mund.
    »Ihr seid Besseres gewöhnt, nicht wahr?« fragte der Pulvermüller.
    Van Geldern kostete einen weiteren Schluck, dann setzte er den Becher ab und wischte sich den Bart. »Auch Ihr könntet Euch an Besseres gewöhnen. Süße Rheinweine und feurige Burgunder.«
    »Wenn ich nur das Geld dazu hätte!« Rutger seufzte.
    »Ihr sollt es haben, denn mir schwebt ein einträgliches Geschäft mit Euch vor.«
    »Mit mir?«
    »Und mit den Niederländern.«
    »Welchen Niederländern?« Mißtrauisch sah der Pulvermacher sein Gegenüber an.
    »Nun, zum Beispiel Wilhelm von Oranien.« Totenstille trat ein, unterbrochen nur vom Ticken der Uhr.
    »Man sagt, er ist ein Aufwiegler, ein Abtrünniger, ein Rebell und vielleicht sogar Ketzer«, zählte der Pulvermacher auf.
    »Eben das macht ihn so interessant. Rebellen brauchen Pulver.«
    »Er ist ein Feind der ganzen katholischen Welt.«
    »Er ist ein Provinzstatthalter der Niederlande, ein machtvoller Fürst, ein tapferer Soldat und noch König Philipps Mann«, hielt van Geldern dagegen. »Was, wenn er heimlich Pulver kaufen wollte, um – sagen wir – seinem geliebten Herrscher, seiner Majestät Philipp dem Zweiten, ein Geschenk zu machen.«
    »So treu ist er den Spaniern gewiß nicht ergeben.«
    »Ist es unsere Sache, uns darüber den Kopf zu zerbrechen? Wir sind einfache Geschäftsleute. Die Mathematik ist unser

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