Die Visionen von Tarot
glückseligen Gefilde, worauf die ewige Freude wohnet,
Gehabt euch wohl! Ihr Schrecknisse, seid mir gegrüßt!
Sei mir gegrüßt, unterirdische Welt; du, tiefste Hölle,
Nimm mich, deinen neuen Besitzer! Er bringt ein Gemüte
Zu dir, welches kein Ort, und keine Zeit nicht verändert,
Das Gemüt ist sein eigener Platz, und macht in sich selber
Aus der Hölle den Himmel und aus dem Himmel die Hölle.
… Hier zum Mindesten werden wir frei sein; hier hat der Allmächtige
… Wir werden in Ruhe hier herrschen …
Viel besser geherrscht in der Hölle als im Himmel gedient!“ {3}
Bruder Paul nickte beeindruckt. „Ja, nun kann ich die Entschlossenheit des Satans ermessen. Er hat überhaupt nicht aufgegeben, denn er hatte ein kämpferisches Herz. So hat er die Hölle zu einem Ort seiner Vorstellung gemacht …“
„Genau“, sagte Apollyon. „Wie kannst du also annehmen, du könntest in die Hölle hinabsteigen, in die infernalische Stadt des Pandämoniums, und Macht über den gefallenen Erzengel gewinnen? Er hat Gott selber getrotzt; nur wenn deine Macht der Gottes gleichkommt, kannst du hoffen, eine Seele aus der Hölle zu befreien. Und, ehrlich gesagt, so stark bist du nicht.“
„Nun, dann muß ich einen anderen Weg finden“, meinte Bruder Paul.
Nun breitete Apollyon seine Drachenflügel aus und erhob sich in die Luft. Er flog davon und war nach einem Augenblick in der Ferne verschwunden.
Was nun? Es würde dumm sein, sich direkt in die Hölle aufzumachen. Das hatte ihm Apollyon bewiesen. Aber er konnte seine Mission doch nicht bewußt aufgeben. Gab es einen anderen Weg?
Er schnappte mit den Fingern. „Dante!“ rief er. „Er ist in die Hölle gegangen – auf einen Spaziergang. Er hatte einen Führer, den römischen Dichter Vergil. Wenn ich einen ähnlichen Führer hätte …“
Aber Dante hatte niemanden von dort befreien wollen – am wenigsten einen Gefangenen vom Status Jesu. Virgil hätte ihm wahrscheinlich bei einem solchen Versuch auch nicht geholfen, und es hätte den Standpunkt des Dichters verdunkelt.
Bruder Paul würde es besser gelingen, wenn er die Sache allein unternähme. Wenn er sich einschleichen könnte …
Nein, das wäre unaufrichtig. Das Ziel rechtfertigte nicht die Mittel. Jesus selbst würde eine Rettung durch fragwürdige Mittel nicht gutheißen. Wenn er es nicht auf rechtem Wege schaffen könnte, würde es überhaupt nicht gehen. Daher …
Er würde sich also an die Spitze wenden, an Satan selbst, wenn es sein mußte – und ihn um Erlaubnis fragen. Es handelte sich schließlich um eine besondere Situation.
Du bist wahnsinnig! rief eine Stimme in seinem Inneren. War das sein Gewissen – oder sein diabolisches Selbst? Der Satan wird dich schnappen und selber in die Hölle befördern!
Hmm … ja. Er müßte also ganz vorsichtig vorgehen. Aber den Versuch mußte er wagen. Er konzentrierte sich. „Herr der Hölle! Prinz der Finsternis! Ich bitte um Gehör …“
Und um ihn her manifestierte sich eine feurige Sphäre. Ein Licht tauchte auf wie ein strahlender Fluß, der sich einen gewundenen Weg dahinschlängelte und leuchtende Funken ausstob, die wie Rubine glühten. Wenn dies der Styx war – oder vielmehr der Acheron –, dann war die Hölle ein viel schönerer Ort, als er ihn sich vorgestellt hatte.
Vielleicht war es auch die falsche Phantasie gewesen. Er war der Propaganda der anderen Seite gefolgt und hatte sich die Hölle als häßlich vorgestellt – ohne Zweifel erzählte man den armen Seelen in der Hölle, der Himmel sei häßlich. Schwarz ist Weiß und Weiß ist Schwarz. Was aber den Punkt nicht traf. Jetzt mußte er lediglich das höllische Hauptquartier suchen.
Unter seinem Blick veränderte der Fluß seine Richtung und
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