Die Visionen von Tarot
bloßzulegen, und der Pfeil verwundete ihn an der Hand. Bruder Paul stieß einen Schmerzensschrei aus. Es war nur eine unbedeutende Fleischwunde, brannte aber wie Feuer. Doch dann durchbohrte ein weiterer Pfeil seinen linken Fuß und ließ ihn vor Schmerz herumtanzen. Was klebte an diesen Spitzen? Ameisensäure, Hornissen- oder Skorpiongift? Sein Schild fiel herab – und ein dritter Pfeil traf ihn am Kopf, direkt über dem Haaransatz auf der rechten Seite.
Bruder Paul wich zurück. Er würde vernichtet werden! Irgendwie hatte er bislang geglaubt, gegenüber den mythischen Ungeheuern unverletzlich zu sein, da er nur Gast war. Falsch! Die Animationen konnten einen töten, und es wurde viel getötet! Das hatte er von Anbeginn an gewußt. Apollyon war vielleicht ein Wesen aus der Phantasie des John Bunyan, aber er befand sich im Reich der Phantasie, und das Ungeheuer wurde durch eine andere wirkliche Person gespielt. Wenn Pilgrim’s Progress den Tod seiner Rolle vorschrieb, dann befand sich Bruder Paul nun in ernsten Schwierigkeiten. Es sei denn, er konnte die Geschichte noch einmal umbiegen, in die Rolle eines Überlebenden schlüpfen …
Er versuchte, sich darauf zu konzentrieren, aber es gelang ihm nicht. Die schrecklichen Pfeile hagelten immer noch auf ihn nieder, und Kopf, Hand und Fuß schmerzten weiter. In das rechte Auge tröpfelte Blut. Apollyon rückte nach, um Bruder Paul weiter zuzusetzen. Jeder Gedanke, den er an ein anderes Stück verschwendete, konnte sich hier fatal auswirken!
Es gab keinen anderen Weg: Hier würde er weiterkämpfen müssen. Offensichtlich konnte er aber nicht gewinnen, wenn er nach den Spielregeln des Ungeheuers kämpfte. Er mußte es zu seinem eigenen Stil zwingen. Dieser Stil hieß natürlich Judo. Er brauchte nur die bloße Hand an Apollyon zu legen und dann …
Aber das hatte auch gegenüber dem Drachen namens Versuchung bei der Vision der Sieben Kelche nicht allzugut gewirkt. Judo war eigentlich dazu da, mit Menschen fertig zu werden und nicht mit Ungeheuern. Vielleicht war es also das beste, dies als letzte Möglichkeit offenzulassen und weiterhin das Schwert einzusetzen.
Bruder Paul hielt stand und kämpfte, schwang das Schwert in blitzenden Streichen hin und her, zurück und vor. Es war eine gute, phantastisch ausgewogene Waffe, und die Schneide war unglaublich scharf. Das war eine heroische Vision! Apollyon wich aus Furcht vor diesem neuen Angriff zurück. Bruder Paul setzte ihm nach und versuchte, das Ungeheuer in zwei Hälften zu spalten.
Aber das Schwert war auch schwer. Bruder Pauls Arm ermüdete bald. Wenn er den Feind nicht jetzt schlagen konnte, würde er sich verausgaben und dann um so angreifbarer sein. Er verdoppelte also seine Anstrengung und versuchte, ihm den Rest zu geben.
Apollyon trat dicht an ihn heran. Bruder Paul ließ das Schild sinken und schwang das Schwert mit beiden Händen auf den Kopf des Ungeheuers zu, um ihn der Länge nach zu spalten. Und zögerte mitten im Hieb. Es war Apollyon, den er töten mußte – aber würde es nicht auch Therion treffen?
In diesem Augenblick duckte sich das Ungeheuer zur Seite, drehte sich um, erwischte den Arm Bruder Pauls mit seinen Klauen, stieß einen gewaltigen Schrei aus – KIIAAIÜ – und setzte einen perfekten on seoi nage, einen Schulterwurf, an. Bruder Paul – der Narr – ging darauf ein! Diese Wurftechnik war sowohl gegen Kämpfer in Rüstung geeignet als auch, um Angreifer zu entwaffnen. Er wurde nach seinen eigenen Spielregeln geschlagen!
Bruder Paul ging schwer zu Boden. Das Schwert flog ihm aus der Hand, und er rang nach Luft. Halb bewußtlos spürte er, wie sich das Ungeheuer fallen ließ und ihn umklammert hielt. Das war Kami shiho gatame, der
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