Die Visionen von Tarot
Psychologie der Hölle wissen, ehe du auch nur erraten könntest, wo dein Freund sein kann, denn sie ist größer als die Welt, und selbst dann könntest du es noch nicht wagen, selbst dorthin zu gehen.“
Bruder Paul dachte nach. Die Worte des Ungeheuers klangen vernünftig. „Nun … gut. Erzähle mir von der Geschichte und der Psychologie der Hölle!“
Den Löwennüstern entströmte ein feuriges Schnauben.
„Sterblicher, das würde ein Leben lang dauern!“
„Dann kürze es ab“, befahl Bruder Paul und hob das Schwert.
Dampfend seufzte Apollyon. „Ich werde es versuchen. Ich glaube, John Milton hat es am besten formuliert …“
„Du kennst die Werke Miltons?“ fragte Bruder Paul erstaunt.
„Natürlich. Er und Bunyan waren Zeitgenossen, die beiden großen Gestalten der puritanischen Zwischenepoche in der Literatur des siebzehnten Jahrhunderts in England. Der eine schrieb die große Allegorie, der andere das große Epos. Einige (die Bastarde!) zogen es vor, Bunyan zugunsten von Milton zu ignorieren, aber …“
„Ja, schon gut“, unterbrach ihn Bruder Paul. „Erzähle mir über Miltons Hölle.“
„Nun, wenn ich aus Lost Paradise, dem ‚verlorenen Paradies’, zitieren darf …“
„Nicht das ganze Epos!“ protestierte Bruder John.
„Nein, ich werde eine Auswahl präsentieren“, versicherte ihm Apollyon, wenn er dies auch zuvor keineswegs im Sinn gehabt hatte. Dann setzte sich das Ungeheuer in Positur, breitete wie ein Schauspieler auf der Bühne die Bärenpfoten aus und deklamierte:
„Der Drache der Hölle, –
Dieser war es, welcher mit List, von Rachsucht und Neide
Angefeuert, die Mutter des Menschengeschlechts verführte,
Als ihn sein Stolz mit dem ganzen Heere rebellischer Engel
Aus dem Himmel geworfen, durch deren Beistand er glaubte,
Über alle, die neben ihm waren, empor sich zu schwingen;
Ja, dem Allmächtigen selbst die Waage zu halten,
wofern der Ihm widerstünde.
Voll Ehrfurcht und Stolz begann er im Himmel
Wider den Thron und die Herrschaft Gottes vermessene
Kriege,
Und gottlose Schlachten; mit eitlem Bestreben.
Ihn stürzte Flammend von ätherischen Höhen die Kraft des Allmächtigen
Mit erschrecklichem Fall, und gräßlichem Brande, herunter
In das bodenlose Verderben. Hier sollte der liegen
In dem strafenden Feuer, mit demantenen Ketten gefesselt,
Welcher sich unterstand, den Allmächtigen zum Streite zu fordern.“
„Toll“, sagte Bruder Paul. „Ich schätze ja die Größe Miltons sehr … aber was ist mit der Hölle?“
„Dazu komme ich gleich“, entgegnete Apollyon verärgert. „Satan rappelt sich also in dem Chaos der Unterwelt wieder auf und sagt:
„Ist gleich das Schlachtfeld verloren, so ist drum nicht alles verloren.
Nicht der unbezwingliche Wille, der Trieb nicht nach Rache.
Noch der unsterbliche Haß, und der Mut, sich ihm nie zu beugen,
noch im Geringsten nachzugeben, und alles, was sonst noch
Nicht überwunden werden kann. Die Ehre wird er von mir nie
Weder durch Zorn, noch Gewalt, erzwingen!
Mit flehendem Kniefall Seine Gnade zu suchen …
… Dies wäre niedrig fürewahr! …
So sprach der rebellische Engel mit prahlenden Worten,
Aber motten in Pein. Er ward von tiefer Verzweiflung gefoltert …
Jetzo richtet er sich mit dem mächtigen Körper vom Pfuhl auf …
Und alsdann regiert seinen Flug in die Höh’ mit ausgespanntem Gefieder
… Bis er sich aus der Höh’ zum trockenen Land herabließ …
Ist dies das Land? Ist dieses der Boden, und dieses das Klima?
Sprach der gefallene Erzengel darauf; ist dieses der Wohnplatz,
Welchen man mit dem Himmel uns zu vertauschen gezwungen;
Diese traurige Nacht anstatt des himmlischen Lichtes?
Wohl, es sei so! …
Ihr
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