Die Visionen von Tarot
Infernos?“
„Es gibt kein Inferno!“ rief der Pastor. „Diese Vorstellung beruht auf einer Fehlübersetzung des hebräischen Wortes Sheol, was Grab bedeutet.“
„Es gibt die Hölle“, beharrte Mrs. Eilend. „Sie existiert im Leben. Sie heißt Irrtum, Haß, Lust, Krankheit und Sünde.“
„Ja“, stimmte Lee zu. „Das Leben nach dem Tode ähnelt kaum den Qualen, die wir uns in diesem Leben auferlegen.“
„Oh, ich weiß nicht“, begann plötzlich Therion. „Satan hat doch Ressourcen …“
„Können wir bitte nach Hause gehen?“ fragte das Kind flehend. „Ich bin sehr müde.“
„Natürlich, Kind“, gab Mrs. Eilend sanft zurück. „Dein Vater wird sich freuen, dich wiederzusehen …“ Sie brach ab.
„Unveränderte Bedingungen?“ fragte Lee verhalten.
Ernst nickte Mrs. Eilend. „Ich werde versuchen, mit ihm zu reden. Vielleicht kann ich ihn zu der Überzeugung bringen, daß diese Krankheit eine Illusion ist. Aber vielleicht …“ Sie wandte sich zu Amaranth. „Vielleicht kann dieses Kind heute nacht bei dir bleiben? Ihr habt eine Menge gemeinsamer Erfahrungen.“
„Was ist mit meinem Vater?“ fragte Carolyn. Sie war ein dunkelhaariges Mädchen von etwa zwölf Jahren, im Gegensatz zu dem hellhäutigen Kind der Animation aber von leicht dunkler Hautfarbe. Ihre Kleider waren durch den langen Aufenthalt in der Wildnis verknittert und verschmutzt und die Haare verfilzt.
„Der Swami ist nicht bei Bewußtsein“, sagte Pastor Runford. „Er hat euch während der letzten Animationspause gesucht und sich übernommen.“
Bruder Paul war bekümmert. „Der Swami … ist ihr Vater?“
„Er war gegen das Experiment gewesen“, erklärte Pastor Runford. „Wie viele andere auch. Ich habe in vielen Dingen eine andere Meinung als er, aber hier hatte er einmal recht. Doch da wir von der Mehrheit überstimmt worden waren, meinte er, daß ein Repräsentant unseres Glaubens innerhalb der Animationen vertreten sein sollte. Seine Tochter erklärte sich bereit, den Beobachter zu spielen. Als alle außer ihr sicher wieder auftauchten, war er sehr verzweifelt. Er hat unter den Bedingungen dieses Planeten schon in hohem Maße gelitten.“
„Großfuß hat meine Mutter getötet“, sagte das Mädchen. Bruder Paul nannte sie insgeheim immer noch Carolyn.
„Das ist ja furchtbar!“ rief Bruder Paul. „Ich hätte nie gedacht …“
„Vielleicht hätten wir Sie über diese Dinge informieren sollen“, meinte Mrs. Eilend nüchtern. „Aber unter den Vertragsbedingungen …“
„Komm mit mir nach Hause“, sagte Amaranth zu Carolyn.
„Nein, ich möchte mit Bruder Paul gehen!“ rief sie.
Überrascht und geschmeichelt streckte ihr Bruder Paul die Hand entgegen. „Ich wohne beim Pfarrer Siltz. Ich weiß nicht, ob er einverstanden ist.“
„Geh mit ihm“, sagte Lee. „Wir können es anders organisieren, falls es erforderlich sein sollte.“
Carolyn schenkte Lee ein dankbares Lächeln. „Danke.“
„Ihr scheint ja ein ausgezeichnetes Verständnis untereinander entwickelt zu haben“, bemerkte Mrs. Eilend. „Meine weibliche Neugier liegt im Streit mit meiner wissenschaftlichen Unbeteiligtheit. Ich frage mich aber, ob nicht die Kolonie als Ganzes von einem Erlebnis der Animation profitieren würde.“
„Ekelhaft!“ rief Pastor Runford.
„Wir haben uns einer ungewöhnlichen gemeinsamen Erfahrung unterzogen“, sagte Therion. „Aber ich bezweifle, ob die ganze Kolonie es überlebt, ganz zu schweigen davon, ob sie auch davon profitiert.“
Sie kamen zum Dorf und trennten sich. Bruder Paul nahm Carolyn mit zu Pfarrer Siltz’ Haus. Der Pfarrer selber war nicht da – aber Jeannette. Die kleine Bewerberin um die Hand von Siltz’ Sohn
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