Die Visionen von Tarot
erschien der Hauptredner, legte sich auf die flache Wiese am Fuße des Hügels, verteilte seine Notizen und hielt eine weitschweifige Vorlesung über seine Erfahrungen im politischen Mahlstrom der Erde vor dem großen Exodus. Diese gesamte Exodusepoche umfaßte genau zehn Jahren, genau jene zwischen Pauls Fortgehen und seiner Rückkehr ins College, doch sie schien bereits so fern wie das Mittelalter. Die Menschen nannten sie die ‚Närrische’ Epoche, und es war in der Tat wahnsinnig gewesen. Die gesamte Kultur der Erde war auf eine Weise erschüttert worden, wie man es heute kaum für glaublich hielt. Aber der Exodus war nicht aus dem Nichts entstanden. Ehe die Materieübertragung das scheinbar Erleichterung schaffende Ventil bildete, hatte die Erde kurz vor der Selbstvernichtung gestanden. Der Redner legte dies deutlich dar. Er benutzte einen deftigen Dialekt, um seiner Meinung die nötige Würze zu geben. Es war ein interessanter Vortrag, aber keineswegs das, was dem Programm entsprach.
Paul hatte überlegt, was er hier, im College der Zukunft wohl finden würde. Als er es verlassen hatte, befand es sich in der Phase des Niedergangs; sein eigener Ausschluß war nur ein Symptom für die allgemeinere Misere gewesen. Im Interesse von Wachstum und Anerkennung hatte man die persönliche Freiheit beschnitten und genau die Qualitäten geopfert, die das College zu dem gemacht hatten, was es war. Nun hatte es die erwünschte Größe erreicht. Bedeutete dies, daß es unvermeidlich auch konventioneller geworden war? Es war zu früh, dies zu behaupten, aber die anfänglichen Zeichen deuteten darauf hin, daß dem nicht so war. Wenn dieser Redner typisch war für die neue Professorengeneration, dann war das College heute sogar noch liberaler als damals.
Als sich die Dunkelheit senkte, erschienen noch mehr Menschen und setzten dem Wiesenhügel helle Tupfen auf. Auch die Mücken schwärmten herbei. Vor Paul ließ sich ein Pärchen nieder, das mehr mit seiner geflüsterten Unterhaltung beschäftigt war als mit dem Vortrag. Das Mädchen kicherte ständig. Um den Hügel herum zog sich ein Gemurmel anderer Unterhaltungen. Drei Hunde schnüffelten umher, spielten um die Sitzenden herum und taten die üblichen Dinge, die Hunde zu tun pflegen. Einige Leute gingen wieder. Offensichtlich wurde dies nicht als Veranstaltung angesehen, an der man von Beginn bis zum Ende teilnehmen mußte, sondern eher als ein Zwischenstop, eine Art von ständigem Unterhaltungsprogramm niederen Niveaus, das man nur häppchenweise genießen konnte. Es gab einige Fragen an den Redner, die recht individualistische Standpunkte widerspiegelten.
Innerlich staunte Paul, während er sich noch darum sorgte, ob das feuchte Gras nicht seine Kutte fleckig machte. Er hätte Jeans anziehen sollen. Kein Zweifel: Das schwingende Pendel des Konservativismus hatte schon lange die Richtung gewechselt. So waren Veranstaltungen zu seiner Zeit auch oft gewesen.
Schließlich wurde die Veranstaltung beendet. Paul ging hinüber zum nächsten Tagungsort, wo er seinen Vortrag halten sollte. Das Thema lautete natürlich: „Der Gott von Tarot“. Er sollte als zweiter an die Reihe kommen; der erste Vortrag dauerte gut über eine Stunde. Er war recht interessant, doch dies bedeutete, daß es weit über seine normale Schlafenszeit sein würde, ehe er überhaupt an die Reihe kam. Zu diesem Zeitpunkt war sich Paul nicht mehr sicher, ob sein Material der Zuhörerschaft entsprach. Er hatte es so ausgewählt, daß es nicht zu abstrus klang, um nicht konservativere Geister als ihn selbst zu beleidigen. Nun hatte sich der
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