Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
Vom Netzwerk:
Rei­se nimmt. Für die­se Le­se­stun­den schätz­te er die nor­ma­len Ro­ma­ne nicht: Al­les, was sie in­ter­es­sier­te, trug mär­chen­haf­ten Cha­rak­ter, und das war schon so, seit sie zwei Jah­re alt war und sich von den Kin­der­rei­men zu eman­zi­pie­ren be­gann. Paul hat­te ge­dacht, die Dra­chen­ge­schich­te sei ei­ne net­te Er­gän­zung zu der neu­en Er­fah­rung mit dem Flug­zeug und näh­me ihr viel­leicht et­wai­ge Ängs­te. Aber Ca­ro­lyn hat­te den Flug ge­nos­sen, und die Le­se­stun­de ge­dieh an die­sem Abend nicht bis zu der Stel­le, wo der Dra­chen­flug be­gann. Aber die Ge­schich­te war in­ter­essant.
    Da­nach leg­te sich Ca­ro­lyn auf ihr Bett und las das Buch, das sie sich selbst mit­ge­bracht hat­te, wäh­rend Paul das sei­ne las. In ih­rer Fa­mi­lie wur­de viel ge­le­sen. Paul fand, daß Bü­cher die viel­sei­tigs­ten, er­zie­he­rischs­ten und un­ter­hal­tends­ten Me­di­en wa­ren, die der Mensch über­haupt kann­te.
    Das Le­sen mach­te Paul je­doch schläf­rig. Es ent­spann­te sei­ne Ge­dan­ken, die sonst da­zu neig­ten, noch die­sen oder je­nen Ver­lauf zu neh­men, was den Schlaf fern­hielt. Er hat­te kaum zu le­sen be­gon­nen, als Ca­ro­lyn in ih­rem Nacht­hemd­chen her­über­schlich, ihm das Buch aus der Hand nahm, ihm einen Gu­te­nacht­kuß gab und das Licht aus­schal­te­te, weil er schon ein­ge­nickt war. Er hör­te ih­re klei­nen Fü­ße noch im Dun­keln über den Bo­den tap­sen, ganz schnell, da­mit sie nicht auf ein Un­ge­heu­er trat, und er ver­sank. Küm­mer­te er sich um sie oder sie sich um ihn? Es spiel­te kei­ne Rol­le.
    Paul er­wach­te in der Mor­gen­däm­me­rung. Es war zu früh für das Früh­stück, und er woll­te Ca­ro­lyn nicht we­cken. Lei­se zog er sich an und mach­te einen Spa­zier­gang über den Cam­pus. Das Ge­bäu­de war üb­ri­gens ein ge­misch­tes Wohn­heim mit Kü­chen und Waschräu­men. Der­ar­ti­ge Wohn­hei­me hat­ten zu Pauls Zei­ten nicht exis­tiert, und es hat­te auch kei­ne An­zei­chen da­für ge­ge­ben, daß sich die In­sti­tu­ti­on in die­se Rich­tung wei­ter­ent­wi­ckeln wür­de. Si­cher hät­te das Nor­men­kon­troll­ko­mi­tee Him­mel und Höl­le in Be­we­gung ge­setzt (und sämt­li­che Stu­den­ten aus­ge­schlos­sen), um der­ar­ti­ge Ten­den­zen ab­zu­weh­ren. Was war nur ge­sche­hen? Paul hat­te die Mit­glie­der der Zwei­ten Trup­pe gut ge­kannt; einen konn­te man als ‚Dünn­brett­boh­rer’ be­zeich­nen, den an­de­ren als ‚mit­tel­al­ter­li­chen Mo­ra­lis­ten’. Man muß­te sie ge­schickt aus­ge­trickst ha­ben.
    Nein, er muß­te schon fair blei­ben: Viel­leicht hat­te er sie doch nicht gut ge­nug ge­kannt. Viel­leicht hat­ten sie all­mäh­lich ak­zep­tie­ren ge­lernt, was sie zu sei­nen Zei­ten noch hef­tig ab­ge­lehnt hat­ten. Es war im­mer ge­fähr­lich, den Cha­rak­ter ei­ner Per­son als starr zu be­ur­tei­len; oft tauch­ten un­ver­mit­telt neue Aspek­te auf.
    Selbst an die­sem Som­mer­tag war der frü­he Mor­gen frisch, und Paul war nicht warm ge­nug an­ge­zo­gen. Er muß­te sich be­we­gen, um nicht zu frie­ren. Das war gut so, denn er rann­te oh­ne­hin gern. Die Ge­gend war wun­der­schön. Hin­ter dem Wohn­heim lag ein klei­ner See, über den vier En­ten schwam­men. Im glei­chen Mo­ment, wo sie ihn sa­hen, wat­schel­ten sie schon mit lau­tem Qua­ken auf ihn zu, in der Hoff­nung, ge­füt­tert zu wer­den. Aber er hat­te nichts da­bei. Am Ufer la­gen ein Ka­jak und ein Ka­nu für die Stu­den­ten. Dann stieß er auf einen Vol­ley­ball­platz. Leh­mi­ge Pfa­de führ­ten in ver­schie­de­ne Rich­tun­gen. Der Wald grenz­te al­les dicht ab. Hier gab es vie­le Vö­gel und be­stimmt auch Rot­wild und Wild­schwei­ne: Die Na­tur kehr­te zu­rück. Al­les wirk­te sehr an­ge­nehm an die­ser En­kla­ve der Er­zie­hung am Ran­de der Wild­nis. Wenn doch der Rest der Welt eben­so wä­re!
    Er kehr­te zu Ca­ro­lyn zu­rück. In die­ser Hin­sicht schlug sie nach ih­rer Mut­ter. Sie schlief so lan­ge sie konn­te und blieb so lan­ge auf wie sie nur konn­te. Paul war ein Früh­auf­ste­her, sie ein Spät­zu­bett­ge­her. Aber sie woll­ten kei­nes­falls das Früh­stück ver­säu­men.

Weitere Kostenlose Bücher