Die Visionen von Tarot
dringenden finanziellen Gründen diesen Job angenommen, weil er in Eile heiraten mußte, als seine Freundin schwanger wurde. Es hatte ihm nicht gefallen, die Studenten anzuschwärzen, doch es war eine Bedingung für seine Einstellung gewesen, und seine Ehre verlangte von ihm, sein Bestes zu geben. Am Ende des Jahres kündigte er; er hatte es nicht länger aushalten können. Paul hatte ihn beschuldigt und lächerlich gemacht – obwohl der Nachtwächter eigentlich eine verwandte Seele war. Nun richtete Paul den Blick kurz nach innen: Herr, laß mich das nie wieder tun!
„Das war noch extremer“, sagte Will. „Ein Student brannte das, Wachhaus’ nieder und rechtfertigte seine Tat mit dem Anspruch, daß die Freiheit des Wortes zur Tat führen müsse, wenn Argumente und wiederholte Anfragen nicht zum Erfolg führen.“
Noch extremer? Paul wunderte sich. Dieser Student hatte Eigentum vernichtet. Paul würde niemals sicher wissen, ob er Schuld an der Zerstörung eines Lebens hatte. Eine scheinbar harmlose Bemerkung konnte ätzender wirken als Arsen.
Will fuhr fort in seiner Beschreibung, wie der Collegepräsident pensioniert wurde, sowie der Schwierigkeiten bei der Neubesetzung der Stelle, berichtete über das Wiederaufleben der Hauptversammlungen und die damit verbundenen Probleme, den ständigen Zufluß neuer Ideen und die wild verteidigte Individualität der einzelnen Mitarbeiter. Verschleppungstaktik blieb ein Instrument der Legislative, im Mikro- wie auch im Makrokosmos, und das College prägte das Motto: „Die Ausnahme ist die Regel.“ Es gab chronische finanzielle Schwierigkeiten. Die Auflösung der Weltgesellschaft führte den Exodus herbei und zeigte auch hier seine Wirkung. Doch das College hatte als Einheit überlebt und würde vielleicht weiterbestehen und erfolgreich sein. Die Einzelheiten hatten sich verändert, doch es war im Kern das College geblieben, das Paul gekannt hatte. Möglicherweise stabilisierte es sich in den kommenden mittleren Jahren.
Paul dankte Will ausdrücklich für die ihm geschenkte Zeit und insgeheim einfach dafür, daß er Will war. Dann ging er los, um Carolyn zum Abendessen einzufangen. Es war ein gutes Gefühl, vom College wiederaufgenommen worden zu sein. Ein Aspekt, den er seit zwanzig Jahren vermißt hatte, wurde nun vervollständigt. Auf diese Weise war er irgendwie wieder gesund geworden.
Carolyn spielte mit mehreren anderen Kindern auf einem verrückten, von den Studenten angelegten Spielplatz. Es gab eine Art Keller mit einer hinabführenden Leiter und einen Tunnel, den man aus etwa zwanzig aufgehängten Reifen gebaut hatte – für ein Kind ein Riesenspaß. Carolyn wollte nicht mitkommen, bis er sie an den Kakao erinnerte. Er hoffte, ihr würde es mit der Zeit nicht allzugut hier gefallen.
Nach dem Abendessen bewunderten sie die Kritzeleien an den Treppen auf der Rückseite des Gebäudes – offensichtlich das Hinterteil des Hauses. Paul mußte seiner Tochter einige Wörter erklären – das war immer eine gute Übung in Sachen Aufklärung für ihn. Es war sein Prinzip, ihr jede Frage zu beantworten, die sie ehrlich stellte, und zwar in ihr verständlichen Begriffen. Bestimmte Sudelwörter stellten für ihn aber immer noch eine Probe dar. Er hoffte, daß sein Verhalten sie vor der Erfahrung bestimmter brutaler Realitäten schützen würde, ehe sie deren Bedeutung voll erfaßte. Er war sich über den Erfolg nicht sicher, doch man mußte es versuchen. Er wollte nicht, daß sie unwissend und mit nutzloser Scham aufwuchs.
Sie folgten dem Kiespfad durch den Wald zum Nordteil des Campus. Carolyn
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