Die Visionen von Tarot
geschah, indem man die wachsende Studentenzahl einteilte in zwei relativ voneinander getrennte Campusgruppen und indem man Studenten und Fakultät in ‚Leben-Lernen-Einheiten’ organisierte.“
Das Alter zwischen siebenundzwanzig und zweiunddreißig, dachte Paul. Die Zeit zum Heiraten und um sich niederzulassen. Aber wie konnte ein College heiraten? Statt dessen reproduzierte es sich durch Spaltung wie ein Wesen aus der Nath-Sphäre, bildete einen Satellitenkampus und damit auf eigene Weise eine neue Spezies. Paul selbst hatte in diesem Lebensabschnitt geheiratet, nachdem er als anderer Mensch vom Planeten Tarot zurückgekommen war. Aber welcher Mensch konnte auch schon auf der Suche nach Gott die Hölle selbst sehen und unverändert bleiben?
„Und in den letzten sechs Jahren“, schloß Will, „bildete sich die Autonomie für die fünf verschiedenen entwickelten Lernprogramme unter dem umfassenden Oberbegriff: ‚Erziehung als rhythmischer Wechsel zwischen Aktion und Reflektion, statischer und dynamischer Erfahrung, dem Analytischen und dem Kreativen’. Die Pädagogik war schließlich bei den Erziehern angekommen!
Auch Paul hatte neue Programme entwickelt. Eines davon war seine Tochter Carolyn. Nun war er einundvierzig, fast zweiundvierzig, und immer noch vier Jahre älter als das College. Wenn man sein Leben als beispielgebend für das College annehmen wollte, so schien es eine vielversprechende Zukunft zu haben. Es würde weiteren Fortschritt erleben und sich verändern, um sich den Gegebenheiten einer veränderten Welt anzupassen. Der Mikrokosmos spiegelte den Makrokosmos wieder – hier war freier Wille nur eine Illusion.
Will zog ein Blatt Papier aus seinem Aktenberg. „Man hat die Philosophie des Colleges in verschiedenen Beschreibungen dargelegt“, sagte er. „Der erste Katalog befürwortete eine Erziehung junger Männer und Frauen im Hinblick auf ein realistisches Leben, indem man sie innerhalb der Ausbildung mit echten Problemen konfrontierte. Es legte Wert darauf, daß die Studenten bei der Formulierung der Prinzipien und an der Verwaltung des Colleges teilnahmen …“
„Das glaube ich“, entgegnete Paul, „aber ich wurde ausgeschlossen, weil ich das auch praktiziert habe.“
„Sie wurden ausgeschlossen? Das habe ich ganz vergessen.“
Offensichtlich hatte der Vorgang Wills Leben nicht so lange überschattet wie Pauls. Warum auch? Das minderte nicht die Bedeutsamkeit. Will hatte sich an die damalige Zielsetzung gehalten, während der übrige Lehrkörper sie schon aus dem Auge verloren gehabt hatte. Will hatte dies getan, weil er eben so beschaffen war. Vielleicht nahm er an, andere, die derartige Ideale propagierten, würden sie auch in der Praxis ausüben.
„Ich hatte mehr Probleme mit der Praxis als der Theorie“, sagte Paul. „In der Theorie lernten wir über das praktische Leben, indem wir im Praktikumssemester arbeiteten. Die Praxis sah aber so aus, daß das College im Winter Heizkosten sparte.“
Will sah ihn an. „Fanden Sie denn das Arbeitsprogramm nicht nützlich?“
„Es war schon wichtig – aber nicht in der beabsichtigten Weise.“ Es hatte sich als fast unmöglich herausgestellt, nur für die beiden Wintermonate einen Job zu bekommen. Nicht, wenn man die Wahrheit sagte. Einige Studenten bedienten sich der Lüge. Sie sagten, sie suchten eine permanente Beschäftigung, und hörten dann auf, wenn das Semester wieder begann. Jene, die die Wahrheit sagten, verbrachten mehr Zeit bei der Jobsuche, als sie arbeiteten. Die Lektion hieß also: Um im Leben vorwärts zu kommen, muß man
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