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Die Vogelfrau - Roman

Die Vogelfrau - Roman

Titel: Die Vogelfrau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Blatter
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wäre?« Bloch wusste die Antwort schon, bevor sie ihm die frisch gewaschene Stimme aus dem Telefonhörer entgegenkrähte.
    »Zumkeller ist ein Betrüger, soviel steht fest. Aber ist er auch ein Mörder? Das glaube ich nicht. Herr Kollege Bloch, mit ziemlicher Sicherheit haben wir es hier mit zwei voneinander unabhängigen Fällen zu tun.«
    Nicht nur Bürgi stand unter Zeitdruck. Auch für Bloch wurde es eng. Nur noch 90 Minuten bis zur Pressekonferenz.
    »Chef?« Cenk streckte seinen Kopf durch die Tür. »Erich – kannst du mal kurz zuhören?«
    »Jetzt nicht, Cenk. Kann das noch zehn Minuten warten?«
    »Zehn Minuten? Ja, das geht in Ordnung.« Cenks Kopf verschwand wieder.
    »Cenk? – Cenk, nicht so schnell – wart mal g’schwind.«
    Die Tür blieb geschlossen.
    Mist, dachte Bloch. Ich hätte ihm sagen sollen, dass er dringend die Listen mit vermissten jungen Frauen durchgehen soll. Eventuell müssen wir noch heute Interpol einschalten.
    »Herr Kollege«, plärrte es aus dem Hörer.
    »Ja, Herr Kollege Bürgi, hier bin ich.« Bloch hoffte, dass es seiner Stimme nicht anzumerken war, unter welchem Druck er stand. Ohne den Bezirksanwalt zu Wort kommen zu lassen, redete er übergangslos weiter – fast wie im Selbstgespräch: »Sie meinten wohl, dass wir jetzt eine unbekannte weibliche Leiche haben, aber es fehlt uns eine passende Vermisstenmeldung. Dann haben wir zweitens den Mord an Hoffmann. Wir haben dazu jede Menge verdächtiger Subjekte, die alle irgendwie Dreck am Stecken haben, aber trotzdem scheinen diejenigen, die wir da so eifrig verhaftet haben, letztendlich doch nicht als Mörder in Frage zu kommen. – Und ganz nebenbei haben wir sogar einen Fall von Wissenschaftsbetrug aufgeklärt. War es das, was Sie mir eben gerade erklären wollten?«
    Die Stimme im Hörer blieb eine Weile stumm.
    »Ja, genau – so ungefähr.« Das Krähen und Plärren klang verwaschener, irgendwie stumpf. Der Bezirksanwalt legte wieder eine Pause ein. Im Hörer rauschte und knackte es. Oder kam das Rauschen aus seinen eigenen Gehörgängen? Bloch hatte vor Kurzem gelesen, dass ein Übermaß an negativem Stress einen Hörsturz auslösen könne oder zumindest eine chronische Form des Ohrenrauschens, die einem Menschen das Leben zur Hölle machen kann.
    Verdammt, was sollte er nur auf der Pressekonferenz sagen. Konnte man die Journalisten noch einmal vertrösten?
    Cenk öffnete die Tür. Zögernd. Er blickte auf den Telefonhörer in Blochs Hand.
    »Erich, ich glaube, jetzt ist es wirklich dringend. Das war jetzt schon der zweite Anruf aus dem Wollmatinger Ried. Du weißt schon, das Naturschutzgebiet direkt am See. Die Kollegen sind schon draußen, aber sie meinen, wir sollten unbedingt dazukommen. Sie brauchen jemand Erfahrenen von der Kripo – ob du nicht, ob wir nicht, ich meine ...«
    »Entschuldigen Sie, Herr Bürgi. Nur eine kurze Unterbrechung. Ich bin gleich wieder bei Ihnen.« Bloch hielt die Hand über die Sprechmuschel. »Brennt es denn tatsächlich so sehr, Cenk?«
    »Ja – und ich glaube, es brennt in diesem Fall tatsächlich. Ich meine, ein echtes Feuer. Irgendetwas ist mitten im Naturschutzgebiet in Brand geraten und es gibt wohl Verletzte. Es ist nicht ganz klar, die Infos sind noch widersprüchlich – vielleicht gibt es auch Tote. Der Meyer und sein Trupp von der Spurensicherung sind jedenfalls schon unterwegs.«
    »Na, dann müssen wir wohl. Ich komme. – Herr Bürgi, Sie entschuldigen, ein Einsatz. Ich muss los. Also, wenn ich mich nicht verzählt habe, dann haben wir hier drei Fälle und nicht zwei. Nichts für ungut. Ich melde mich wieder.«
    Er knallte den Hörer auf die Gabel. Das Ohrenrauschen verschwand augenblicklich. Es war wohl doch ein technisch erklärbares Rauschen gewesen und kein Echo eigener seelischer Prozesse. Dies beruhigte ihn ungemein. Im Hinauslaufen versuchte er, diesem Gefühl von Beruhigung und Entlastung kurz nachzuspüren. Es gelang ihm aber nur unvollkommen, da er sich vergeblich bemühte, in seinen Jackenärmel zu schlüpfen, der sich ziehharmonikaartig ineinander geschoben hatte. Cenk half ihm.
    Sie stiegen beide in das Polizeiauto.
    »Blaulicht«, kommandierte Bloch. »Kein Martinshorn. Los gehts.«
    Der Motor sprang mit beruhigender Zuverlässigkeit an. Cenk lenkte den Wagen auf die große Ausfallstraße. Jetzt, am späten Vormittag, floss der Verkehr nur spärlich und sie kamen zügig voran. Sie würden das Martinshorn nicht brauchen.
    War Churchill heute eigentlich schon

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