Die Vogelkoenigin
über sie inzwischen kursierten. Nicht lange, und irgendwer würde was der Presse stecken, irgendeinem kleinen Lokalreporter, der Verschwörungstheorien liebte und noch Platz für zehn Zeilen hatte.
Ich muss hier weg, dachte Laura. Und das so schnell wie möglich.
Sie konnte keine Auskunft darüber erteilen, wer sie war, und erst recht nicht mit der Polizei reden. Die würden sofort ihre Eltern informieren, die möglicherweise Wochen oder Monate vorher erfahren hatten, dass Laura im Bermudadreieck mit einem Flugzeug abgestürzt war - falls ihr Name auf der Passagierliste aufgetaucht war. Sie gingen also höchstwahrscheinlich davon aus, dass ihre Tochter tot war - und dabei sollte es bleiben. Laura hatte ihnen nicht verziehen, würde ihnen nie verzeihen, und umgekehrt war es wahrscheinlich ebenso. Wenn ihre Eltern überhaupt einen sentimentalen Anfall erlitten hatten, ihr einziges Kind verloren zu haben, so war der mittlerweile überwunden.
Laura konnte jedenfalls nicht erklären, von woher sie gekommen war, wie sie zuerst mit dem Flugzeug über dem Meer verschwinden und dann über zehntausend Kilometer entfernt mitten in München im Winter mit merkwürdiger Kleidung und einem Parasiten in sich, der schwarze Flecken verursachte, wieder auftauchen konnte.
Sie weinte kurz, als sie an Milt und Zoe und die anderen denken musste. Es war einfach ungerecht, dass sie jetzt hier war und ihre Freunde und Gefährten immer noch drüben! Wie hatte das überhaupt geschehen können? Laura hatte eine Ley-Linie unter den Füßen gespürt, dann hatte sich das Felslabyrinth verändert oder war eingestürzt ... Hatte sich dabei etwa ein Durchgang geschaffen? Aber wieso hatte es zuvor dieses hell strahlende Licht gegeben, das sie magisch angezogen hatte?
Laura schob die Bettdecke beiseite, dann das Klinikhemd, das man ihr angezogen hatte, und betrachtete ihren flachen Bauch, auf dem sich deutlich sichtbar die schwarzen Flecken bewegten. Kurzzeitig schien es ihr sogar, als würde sich etwas unter ihrer Haut regen ... Hastig bedeckte sie sich wieder und brach erneut in Tränen aus.
Dein Bauch ist so weich und samtig wie ein Pfirsich. Milt hatte sie gestreichelt und geküsst, er wollte gar nicht damit aufhören. So zart. Sein Finger war um ihren Bauchnabel gekreist, was ein Kribbeln in ihr ausgelöst hatte. Daraufhin waren seine Lippen den Fingern gefolgt. Ich spüre deinen Puls, ich mag es, wie es leise gluckst. Und deine Haut ... sie ist so unglaublich ...
»Ach Milt«, schluchzte sie. »Ich wollte dich nicht verlassen ... Wie kann ich dich wiederfinden ...«
Und Zoe. Gerade eben hatte sie ihre beste Freundin wiedergefunden, aber nicht, indem sie sie gerettet hatte, wie es ihr Vorhaben gewesen war, sondern weil Zoe sich ganz allein befreit und im Gegenteil Laura wiedergefunden hatte. Ich habe dich enttäuscht ... ich bin zu gar nichts in der Lage ...
Gut, sie hatte eine Menge Gefahren überwunden und viele Prüfungen bestanden. Aber es war ihr nicht einmal gelungen, den Dolch Girne länger als ein paar Stunden in Händen zu halten, schon wurde er ihr wieder gestohlen. Wenn niemand ihn zurückholte und er nicht gegen Alberich eingesetzt wurde, war Innistìrs Schicksal besiegelt.
Aber habe ich das wirklich alles erlebt? Oder bin ich gerade aus dem Koma erwacht und wieder bei mir?
Das wäre eine einfache, bequeme Lösung. Klar, sie würde einige Zeit den Erinnerungen an einen phantastischen Traum und eine verlorene, niemals existierende Liebe nachhängen, aber irgendwann würde sie erkennen, dass alles nicht real gewesen war und jetzt das normale Leben weiterging. Vielleicht war alles geträumt gewesen, sogar der Ausflug auf die Bahamas. Das an sich war schließlich schon unwahrscheinlich, dass ausgerechnet ein gefragtes Model wie Zoe das kleine - nein, hässlich nicht! - Entlein mitnahm, das kein Zuhause und keine Freunde mehr hatte. Auf eine Reise ins Paradies.
Ja, es wäre zu schön. Aber leider sprach alles dagegen. Der Arzt hatte ihr erzählt, dass sie vor wenigen Stunden gefunden worden war, welche merkwürdigen Klamotten sie trug und dass ihr Blut nicht mehr menschlich war. Obwohl ... das Letztere klang schon ein bisschen verrückt.
Was war es jetzt nun wirklich? So wie bei dem Film Total Recall, dachte sie. Niemand weiß, wo die Geschichte wahr und wo sie Phantasie ist. Das alles wäre gut möglich, nämlich dass ich immer noch darin gefangen bin. Ich meine, wie bescheuert ist das denn, als Erstes einem Elfen zu
Weitere Kostenlose Bücher