Die Vogelkoenigin
einen Blick zum Himmel, an dem die schwarze Galeone kreuzte. Der Fluch hinderte sie anscheinend daran, den Angriff fortzusetzen, erst musste wieder einige Zeit verstreichen.
»Ich bin geneigt, Fokke angreifen zu lassen«, antwortete er. »Ein paar gezielte Kanonenschüsse, und anschließend kratzen wir die Reste zusammen. Alberich hat dann zwar das Nachsehen, aber das ist nicht zu ändern. Lebend kriegen wir die da niemals raus.«
»Also machen wir eine Pause?«
Leonidas nickte. Sie waren alle am Rande ihrer Kräfte. »Die Dämmerung kommt bald. Lass die Männer das Lager aufbauen, für heute ist es genug.«
»Aye, General.«
»Lasst sie gehen!«, hieß Laycham die Schützen. »Wir schießen niemandem in den Rücken. Vielleicht haben wir Glück, und sie ziehen bis morgen ab.«
»Dann ist immer noch Fokke da«, widersprach Birüc. »Ich weiß nicht, ob Leonidas nach alldem riskieren will, dass er uns zusammenballert. Dann hätte er gleich abziehen können.«
»Eine ziemlich miese Situation für ihn«, stimmte der Prinz zu. »Alberich wird seinen Bericht erwarten und hat sicher neue Befehle für ihn. Dass ein Hauptgeneral und seine besten Soldaten hier gebunden sind, muss ihn zur Weißglut treiben. Möglicherweise erfahren sogar die Iolair davon und greifen Morgenröte an.«
Birüc reichte seinem Prinzen einen Schluck Wasser aus dem Beutel. »Unsere Situation ist nicht viel besser. Ich zerbreche mir den Kopf, was wir tun können. Das Einzige, was mir einfällt, wäre, über einen der Ausgänge oben in der Nacht davonzuschleichen. Die Pferde müssten wir leider hierlassen, wodurch wir sehr viel langsamer sind, aber möglicherweise, mit ein bisschen Elfenzauber, bemerken unsere Belagerer nicht so schnell, dass wir weg sind, und wir gewinnen ein paar Stunden Vorsprung.«
»Und wohin sollen wir gehen?«, fragte Laycham. »Was liegt nahe genug, dass wir dort in ein paar Stunden Deckung finden können? Wann werden unsere Verfolger die Jagd aufgeben?« Er schüttelte den Kopf. »Es gibt keinen Ort, an den wir gehen könnten. Ich kenne niemanden, der uns aufnehmen und beschützen würde. Abgesehen von den Iolair, aber deren Sitz ist geheim.«
Birüc raufte sich die Haare. »Also sind wir wieder Gefangene, wie wir es auch drehen und wenden. Wir kommen hier nicht mehr raus.«
»Nein«, sagte der Prinz langsam. »Wir kommen hier nicht mehr raus.«
Birüc hatte sich frustriert zurückgezogen. Es war spät, er war müde, und er wusste nicht mehr weiter. Laycham war dankbar, dass er es nicht in Erwägung zog, die Menschen auszuliefern - zumindest sprach er es nicht an. Das wäre prinzipiell eine bequeme Lösung - nur hätte sie viel früher erfolgen müssen. Birüc konnte sich denken, dass Leonidas nicht Wort halten würde. Oder schlimmer, er würde sie tatsächlich nicht töten, sondern in den Dienst pressen, sie dazu zwingen, künftig für Alberich zu kämpfen.
Laycham hatte die ganze Zeit Zoe vor Augen. Hauptsächlich tat er all dies für sich, um seinen Weg zu finden, aber auch für sie. Er verdankte ihr sein Leben, ja, er konnte es nicht anders sagen, auch wenn der Ritt in die Freiheit nur wenige Stunden gewährt haben mochte. Sie hatte ihm Lebensmut und Lebenswillen wiedergegeben. Sie hatte ihm gezeigt, dass man nicht einfach aufgeben durfte, dass es irgendwo eine kleine Hoffnung gab, die man rechtzeitig erkennen musste.
Natürlich spürte er den Fluch seines Vaters, und er hatte bereits eine Dosis des Mittels benötigt, obwohl es noch über dreißig Sonnenaufgänge halten sollte. Die Wirkung hatte nicht vollends eingesetzt, sein Gesicht brannte und einige Stellen seines Körpers auch. Bald würde sich die Zersetzung dort fortsetzen, und dann würde er seine Entstellungen nicht mehr verbergen können.
Zoe macht das nichts aus.
Sie war das erste Wesen, das sich nicht sofort übergeben hatte, als es ihn ohne Maske erblickte. Sie hatte ihn sogar berührt. Gewiss hatte sie Ekel empfunden, etwas anderes wäre unnatürlich gewesen, aber ... ihr Mitgefühl - nicht Mitleid - hatte ihren Abscheu überwogen. Sie hatte erkannt, welches Herz unter all den Verwachsungen und Wucherungen schlug. Sie wusste, dass er einstmals anders ausgesehen hatte, dass sein grausamer Vater ihm diesen Fluch angetan hatte, aus Angst, Blutschuld zu begehen, indem er seinen Sohn ermordete.
So ganz konnte Laycham Zoes Verhalten immer noch nicht verstehen, nachdem sie ihm von ihrem Leben in der Menschenwelt erzählt hatte. Sie war mit ihren
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