Die Vogelkoenigin
jetzt war es keiner. Sie roch Innistìr, erkannte es sofort wieder, sie roch ihren eigenen Schweiß, und sie roch ... Milt.
Ach Milt.
Es war einfach zu typisch. Da fand sie endlich den Mann, der der richtige zu sein schien, und dann verlor sie ihn, weil sie über eine verbotene Schwelle stolperte.
Ja, verboten. Es war nicht richtig, dass sie hier war und die anderen alle nicht. Sie war nicht zu Hause und schon gar nicht ohne Milton Keene, den Mann, den sie liebte.
Und vor allem würde sie nach allem, was letzte Nacht passiert war, niemals Ruhe finden. Der Sch... der Namenlose war immer noch in ihr, und die nächste Verschlechterung ihres Zustandes war vorprogrammiert. Wenigstens hatte sie ihn jetzt einmal gesehen - falls man das so sagen konnte. Wahrscheinlich war es nur ein Stück von ihm, das sich in ihr eingenistet hatte, als sie aus sich selbst geflohen war. Der Stoß bei dem Sprung in die Mauer, das war er gewesen. Doch auch ein kleines Stück genügte, um sie zu vergiften.
Er ist auf mich angewiesen und kann seine wahre Freiheit wahrscheinlich nur durch mich erlangen, überlegte sie, während sie im Zimmer umherwanderte. Ich gebe ihm jeden Tag ein bisschen mehr. Wann wird es so weit sein, dass er seine vollumfängliche Macht erreicht? Braucht er mich dann noch, was wird aus mir?
Ihr war durchaus bewusst, dass der Schattenlord - verdammt, jetzt war es raus ... Ach, auch schon egal - genauso unter der Zeitnot litt wie Laura. Verlor Laura vorzeitig ihr Leben, bevor er richtig frei war, konnte das bedeuten, dass sie ihn mit in den Untergang und in die Auflösung riss.
Noch einmal: Wie und warum bin ich hierher gelangt? Er kann das nicht allein bewirkt haben, denn ansonsten wäre er ja kein Gefangener da drüben und könnte ständig hin und her wechseln. Irgendetwas ist da in den Felsen geschehen, und er hat vor mir die Lage erkannt und mich gezwungen, durch das Licht zu gehen.
Es half nichts, sich den Kopf zu zerbrechen, dieses Geheimnis konnte sie nicht lösen. Dazu brauchte es Aufklärung von außen. Und das brachte sie zum Kernpunkt: Was machte sie jetzt? Was konnte sie tun? Die Einzigen, mit denen sie sprechen konnte, waren die Elfen. Aber zum einen hatte sie keine Ahnung, wie sie in München lebende Elfen finden sollte, die ihr weiterhalfen, und zum anderen musste sie ohnehin jeden Elfen als Feind betrachten, weil er zu den Polizeikräften zählen könnte. Außerdem schienen sie alle sehr nervös zu sein und sprachen von »diesen Zeiten«, es schien also etwas los zu sein, was sie insgesamt intensiv beschäftigte. Wenn nicht ängstigte.
Laura blieb stehen, weil ihr flau im Magen wurde. Es war aber nicht wegen des Hungers, den hatte sie gestillt. Es war ein ganz merkwürdiges Gefühl, wie sie es noch nie verspürt hatte. Sie hatte den Eindruck, als wäre da ein riesiges Loch im Bauch, während der Rest von ihr irgendwohin gezerrt wurde ...
Keuchend knickte sie ein, legte die Arme um ihren Bauch, und jetzt spürte sie es ganz deutlich. Dieses Zerren und Reißen, wie sie es gestern abwechselnd an den Armen empfunden hatte, betraf jetzt ihren ganzen Körper. Was war das nur? Es machte ihr mehr Angst als die schwarzen Flecken - woher die kamen, wusste sie ja und sie fragte sich, ob das bereits der Beginn der Auflösung war. Aber warum hier , in der Menschenwelt, wo sie hingehörte?
Genauso abrupt, wie es gekommen war, verschwand es wieder - wie am Vortag. Es blieb nichts zurück, keine weiteren Beschwerden, alles schien wieder in bester Ordnung.
Ein Blick auf die Uhr des Multifunktionstableaus am Bett zeigte ihr, dass es bereits auf neun Uhr zuging. Gleich würde die Visite losgehen, und dann kam der entscheidende Moment. Was würde Dr. Winter mit ihr machen? Er hatte im Prinzip keine Wahl - er musste sich an die Vorschriften halten, sonst gefährdete er seinen Job.
Sie blieb vor dem Fenster stehen und sah hinaus. Der Himmel war tiefblau, und die Sonne strahlte hell und warm, ganz anders als gestern. Es hatte mehrere Plusgrade, und es taute kräftig. Typisch für München - Temperaturstürze von bis zu dreißig Grad in wenigen Stunden waren ebenso möglich wie der abrupte Anstieg von minus zehn Grad auf plus acht Grad.
Das kann ich aushalten, zumindest eine Weile, dachte Laura aufgeregt. Vorsorglich öffnete sie das Fenster. Ja, es war kalt, aber kein Vergleich mehr zum Vortag, und die Sonne wärmte tatsächlich ein bisschen. Sicher, Laura war verwöhnt nach den Wochen auf den Bahamas und in
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