Die Voliere (German Edition)
Baums und in dieser Nacht würde sie keinen Schritt mehr hinauswagen.
Nora fielen vor Müdigkeit beinahe die Augen zu. Seit halb sieben war sie ununterbrochen auf den Beinen, die Ereignisse des Abends waren anstrengend genug für drei Tage Schlaf, sie fühlte sich völlig ausgelaugt. Das schummerige Kerzenlicht, mit dem sie wenigstens während des Stromausfalls ein bisschen Helligkeit erzeugen konnten, tat sein Übriges. Immer wieder öffnete Nora kurz das Fenster, um zur Erfrischung ihr Gesicht in die kalte Luft zu halten. Aber sobald sie sich neben den verletzten Polizisten ans Bett setzte, um Wache bei ihm zu halten, fiel ihr nach wenigen Sekunden der Kopf auf die Brust.
Eine Hand berührte ihre Schulter.
»Wollen Sie sich hinlegen?«, fragte Rosen einfühlsam.
Nora gähnte und streckte sich, rieb sich die Augen. »Jemand muss einen Notarzt rufen. Bis jetzt war dauernd besetzt.«
»Ich kann das für Sie machen. Sie sollten schlafen.«
»Ich weiß nicht …« Konnte sie Rosen trauen? Die Vorstellung, dass er sich nur freundlich stellte und sie im Schlaf überwältigte, ließ sich nicht ganz aus ihrer Vorstellung verbannen. Doch auf diesem Stuhl würde sie binnen zehn Minuten sowieso wieder einschlafen. Da zog sie es doch vor, im weichen Federbett ermordet zu werden. Sie drückte Rosen das Handy in die Hand.
»Ich vertraue Ihnen. Enttäuschen Sie mich nicht.«
Er antwortete mit einem kindlichen Lächeln. »Ich gebe Ihnen Bescheid, wenn ich durchkomme.«
Der Bewusstlose atmete schnell und flach. Nora betete, dass er die Nacht überstehen möge. Bevor das Wetter sich gebessert hatte, war es sowieso illusorisch, dass ein Rettungswagen zur Schreckenmühle durchkam.
Im Erdgeschoss, zwischen Wirtschaftsraum und Badezimmer, gab es ein Gästezimmer, kaum mehr als acht oder neun Quadratmeter groß. Darin stand ein Klappsofa, im Schrank gab es Wolldecken und ein Kissen. Die Sachen waren frisch gewaschen, Lefeber hatte sich vor einer Weile auf Noras Anregung hin darum gekümmert. Dabei hatte sie nicht sich selbst als Übernachtungsgast im Sinn gehabt, sondern Neumann, den Bewährungshelfer, der immer mal wieder jammerte, die Strecke nach Scheelbach sei ihm für einen kurzen Besuch zu weit.
Nora richtete im Schein einer Kerze das Bett und schlüpfte unter die Decke. Sie war todmüde. Inzwischen vielleicht sogar zu müde zum Schlafen. Gab es so etwas überhaupt? Nachdem sie das Kerzenlicht ausgeblasen hatte, wälzte sie sich unruhig auf der durchgelegenen Matratze, schließlich lag sie völlig genervt auf dem Rücken und starrte die Decke an, wo ein kleines rotes Lämpchen regelmäßig blinkte. Eins, zwei, drei … bis fünfundsechzig zählte sie, dann blinkte die Lampe erneut auf. Vermutlich war das Intervall auf eine Minute eingestellt. Sie zählte weiter mit, bis sie die Wut in sich aufsteigen spürte.
Vor einem Augenblick war sie noch vor Erschöpfung auf einem Stuhl weggenickt, und jetzt, wo sie in einem richtigen Bett mit Kopfkissen und Decke lag, konnte sie wegen eines roten Blinklichts nicht einschlafen!
Sie musste die Batterie aus dem Rauchmelder entfernen. Nur für heute Abend. Wenn das Lichtsignal aufhörte, würde sie schlafen können. Falls das Haus in Brand geriet, würde sie am Rauch ersticken – egal, ihr Schlaf war jetzt wichtiger. Nora zündete die Kerze wieder an und stellte sich auf die Matratze. Die Decke im Haus war, wie üblich bei Bauernhäusern, die mehrere Jahrhunderte auf dem Buckel hatten, höchstens zwei Meter zehn hoch. Mit ausgestreckten Fingern bekam sie den unteren Teil des Rauchmelders zu fassen und drehte ihn los. Die Abdeckung fiel aus ihrer Fassung, entglitt ihrer Hand und fiel aufs Bett und mit ihr einige höchst seltsame elektronische Komponenten.
Nora sammelte die Teile ein, die sie in der leeren Plastikhülle deponierte. Sie stutzte. Mit Rauchmeldern kannte sie sich nicht aus, aber das Teil, das nun ganz oben auf den Bauteilen lag, gehörte ganz sicher nicht zur üblichen Ausstattung von Brandschutzsystemen.
Es war eine Minikamera, da gab es keinen Zweifel; ähnliche Geräte hatte sie in ihrer Ausbildung zu Gesicht bekommen. Im Schein der Kerze betrachtete sie das elektronische Bauteil von allen Seiten und dachte: Wer installiert Kameras in diesem Haus und warum?
Eigentlich gab es darauf nur eine Antwort. Nora warf sich eine Jacke über und eilte durch den Flur ins Wohnzimmer hinüber, wo der Kollege mit der Schnittverletzung auf einem Sofa schlief.
Sie rüttelte ihn
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