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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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wach und hielt ihm die Plastikverkleidung des Rauchmelders hin.
    »Gehört das auch zu Ihrer Überwachungsstrategie?«
    Verwirrt richtete er sich auf und blinzelte sie im Halbschlaf an. »Ich verstehe nicht?«
    »Diese Miniaturkameras.« Nora deutete auf ein ähnliches Exemplar an der Wohnzimmerdecke.
    »Das sind Brandschutzmelder«, entgegnete der Polizist.
    »Nein, sind sie nicht. Sie sehen so aus, aber in Wirklichkeit ist das ein Videoüberwachungssystem.«
    Als wäre ihr die Bedeutung ihrer Worte erst jetzt klar geworden, begab sie sich in den Flur, in die Küche, ins Esszimmer. Außer in den Sanitärräumen fand sie an allen Decken identische Geräte.
    »Big Brother is watching you«, sagte Nora fassungslos.
    »Wenn das wirklich versteckte Kameras sind, stammen sie nicht von uns«, verteidigte sich der Kollege.
    »Sind Sie da sicher?«
    »Das hätte man uns mitgeteilt. Gibt es da nicht so eine Fernsehshow? Vielleicht sind die vom Privatfernsehen.«
    Nora stockte der Atem. War das möglich? Statt mühsam draußen im Dreck auf der Lauer zu liegen, installierte irgendein Unterschichtensender einfach Kameras in allen Räumen im Haus und sendete vierundzwanzig Stunden lang? Schreckenmühle-TV?
    Nora richtete den Blick zur Decke. Sie streckte die Zunge heraus. »Nach der Werbung sind wir wieder für Sie da.«
    Sie wollte lachen, aber das Lachen blieb ihr im Halse stecken. Die Presse hatte sich nicht eigenmächtig Zutritt zum Haus verschafft. So weit würden nicht einmal diese Schmierfinken gehen. Die Installation der Kameras konnte nur mit Zustimmung des Eigentümers erfolgt sein.
    Im nächsten Augenblick machte sie einen Rundgang durchs Haus, weckte Tibursky und Lefeber, demontierte alle Rauchmelder unter den verdutzten Augen der Männer und kehrte wieder ins Wohnzimmer zurück.
    O Gott, hatte Bruno sie und ihre Schützlinge etwa an die Presse verkauft? War das der Grund, warum er sich in der letzten Zeit so rar machte? Finanzierte er auf diese Art seinen kostspieligen Lebensstil und die teure Wohnung?
    Nora konnte sich das beim besten Willen nicht vorstellen. Aber er musste von den Kameras gewusst haben.
    »Vielleicht ist die Überwachung vom LKA angeordnet und Sie sind gar nicht involviert?«, machte sie einen letzten Versuch für Brunos Rehabilitation.
    »Möglich. Kommt mir aber komisch vor. Für so etwas braucht man einen richterlichen Beschluss«, erwiderte der Kollege und gähnte.
    Sie musste dringend jemanden beim Landeskriminalamt kontaktieren, irgendjemanden, der ihr zuverlässig Auskunft geben konnte.
    Bildüberwachung war ein extremer Eingriff in die Privatsphäre, der einem Richter gegenüber sehr überzeugend begründet werden musste. Und über diesen Grund wollte Nora mehr erfahren.
    Im Moment fiel ihr nur ein einziger Mensch ein, den sie um halb drei Uhr nachts mit diesem Problem behelligen konnte. Nora nahm das Handy wieder an sich, ging mit klopfendem Herzen ins Gästezimmer und wählte seine Nummer.
    *
    Trotz der nachtschlafenden Zeit nahm Gideon Richter beim dritten Klingeln ab. Berufskrankheit – vermutlich hatte er mit dem Handy neben dem Bett geschlafen.
    »Nora! Ist dir was passiert? Wo bist du?«
    »Ich sitze in Scheelbach fest.«
    »Wo?«
    »Im Spessart. Bei den drei Typen, die mich zum Abendessen eingeladen haben.«
    »Bist du okay? Soll ich kommen und dich holen?«
    »Bleib, wo du bist, mir geht es gut«, beruhigte Nora ihn und blickte zum Wohnzimmersofa hinüber.
    »Aber ich habe hier zwei Verletzte: Ein Polizist ist bei einer Auseinandersetzung mit Rosen an der Hand verletzt worden, er hat Blut verloren. Den anderen hat Rosen aus dem Auto gezogen, das unter einem umgestürzten Baum eingeklemmt war.«
    Sie hörte Rascheln und Knacken in der Leitung.
    »Ich komme sofort – keine Widerrede. Und die Kavallerie bringe ich am besten gleich mit.«
    »Gideon, das ist sinnlos, im Moment ist hier kein Durchkommen. Ich vermute, der Sturm hat noch mehr Bäume im Wald umgeworfen, mindestens einer versperrt den Zugang zur Schreckenmühle. Du musst mir einen Gefallen tun.«
    »Schieß los.«
    »Erstens: Ich komme nicht zur Leitstelle durch. Da ist dauernd besetzt. Du hast sicher bessere Möglichkeiten. Sie sollen eine Ambulanz mit Notarzt schicken.«
    »Ich kümmere mich darum.«
    »Meine zweite Bitte ist etwas heikler.« Nora wog die Plastikabdeckung des Rauchmelders in der Hand.
    »Bist du noch dran, Nora?«
    »Entschuldige. Jemand hat das komplette Haus verwanzt, Gideon. Mit Videokameras. Ich

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