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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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Wochenende herrschte rundum so reges Treiben, dass man kaum sein eigenes Wort verstand.
    Nora sah sie entsetzt an. »Du meinst jetzt? Sofort?«
    Ceyda verdrehte die Augen. »Ich schwöre: Gleich morgen suche ich mir eine neue Datingberaterin.«
    Nora atmete tief durch, dann nahm sie ihr Handy und tippte Albrechts Nummer ein. Sie ging in die Küche.
    Es klingelte.
    Jemand nahm ab.
    Sie schloss die Augen.
    »Hallo, Frau Winter.«
    »Kennen Sie meine Nummer etwa auswendig?«
    »Ich habe ein gutes Zahlengedächtnis.«
    »Sie baten um Rückruf.«
    »Haben Sie schon etwas vor?«
    »Wann?«
    »Jetzt.«
    Nora sah sich Hilfe suchend um. Aber Ceyda bot ihr keine Unterstützung: Sie saß draußen auf dem Balkon und gab vor, zu lesen, obwohl Nora sicher war, dass sie sich die Ohren verrenkte, um jedes einzelne Wort mitzuhören.
    »Sitzen Sie den ganzen Tag herum und warten auf meinen Anruf?«
    »Ja, aber nur, wenn ich nicht arbeite. Schockiert Sie das?«
    »Na ja«, wiegelte Nora ab. »Sollen wir uns zum Mittagessen treffen?«
    »Fein. Haben Sie einen Vorschlag?«
    Nora dachte nach. Ihre alte Joggingstrecke führte durch den Huthpark hoch zum Lohrberg. Eine beinahe ländliche Gegend direkt an der Peripherie von Frankfurt, keine zwei Kilometer Luftlinie von der Berger Straße entfernt. Seit sie nach Sachsenhausen gezogen war, vermisste sie den Ausblick, den die grüne, hoch gelegene Oase auf die Stadt gewährte.
    »Kennen Sie die Lohrberg-Schänke? «
    »Vermutlich liegt die auf dem Lohrberg?«
    »In einer Dreiviertelstunde?«
    »Ich fliege.«
    Nora kehrte auf den Balkon zurück. Ceyda vertiefte sich mit Nachdruck in ihre Frauenzeitschrift, aber sobald Nora wieder Platz genommen hatte, konnte sie sich nicht verkneifen, ihre Freundin nachzuäffen: »Kennen Sie meine Nummer etwa auswendig?« Ceyda lachte heiser.
    Diesmal war es Nora, die ihre Augen verdrehte.
    »Aber eines sage ich dir: Heute Abend möchte ich ein Foto von diesem Pferdedoktor sehen.«
    *
    Sie waren per Du, noch bevor die Kellnerin die Getränkebestellung aufgenommen hatte. Bruno Albrecht trug dunkle Jeans, ein weißes Hemd und ein schwarzes Sakko. Mit der Sonnenbrille im asketischen, braun gebrannten Gesicht sah er umwerfend sexy aus.
    Er bestellte Frankfurter grüne Soße mit Kartoffeln. Nora gefiel das. Männer, die sich für die regionale Küche entschieden, obwohl die Speisekarte auch Thai-Curry oder Ribeye-Steaks bot, waren bodenständig. Dass Bruno Albrecht weder einen Ehering trug noch einen verräterischen Abdruck am Ringfinger hatte, war Nora schon in den ersten Minuten aufgefallen. Wenn sie etwas gar nicht gebrauchen konnte, war das ein verheirateter Endvierziger auf der Suche nach sexueller Zerstreuung.
    »Wie kommst du mit den Gutachten voran?«
    Nora schlug die Beine übereinander. »Ach, ist das etwa der wahre Grund, warum du mich treffen wolltest?«
    »Natürlich nicht. Entschuldige bitte. Ich weiß nicht sehr viel über dich, außer dass du Sachverständige beim Zentralen Polizeipsychologischen Dienst bist. Ist doch naheliegend, dass ich unsere Konversation mit einer höflichen Frage beginne.«
    »Du hast immerhin meine Handynummer herausgefunden. Wie dir dieses Kunststück gelungen ist, würde mich brennend interessieren.«
    »Betriebsgeheimnis.« Bruno lächelte so geheimnisvoll, dass Noras Nackenhaare sich ein weiteres Mal aufstellten. Aber dann verriet er ihr, dass man ihm beim ZPD ihre Nummer gegeben hatte, nachdem er sich als Kontaktperson von Rosen mit einer dringenden Information ausgegeben hatte. Es handelte sich dabei um Noras private Handynummer, weil sie noch kein Diensthandy besaß. Über die Auskunft hatte er dann Noras Adresse und Festnetznummer herausgefunden.
    »Du würdest einen guten Polizisten abgeben«, sagte Nora, der Albrechts Hartnäckigkeit ein wenig unheimlich wurde.
    »Nein danke. Stadthunden eine Wurmkur und gelegentlich eine Impfung zu verpassen, reicht mir vollauf.«
    »Jedenfalls weißt du wesentlich mehr über mich als ich über dich.«
    Das Essen kam: Nora erhielt eine große Schüssel Salat mit gebratenem Putenfilet und Bruno einen Teller, groß wie ein Wagenrad, mit Grüner Soße, gekochten Eiern und Pellkartoffeln.
    »Erst einmal guten Appetit«, sagte er, während er seine Serviette entfaltete.
    Dann begann er, von sich zu erzählen. Sein Vater war ein hohes Tier bei einer Privatbank gewesen, die Mutter Hausfrau; er hatte eine Schwester. Bereits mit sieben Jahren hatte er gewusst, dass er später einmal einen

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